Wenn vom 19. bis zum 23. September das Internationale Festival der Kammermusik in Kempten seine siebente Auflage erlebt, wissen viele Kenner bereits längst, dass es sich hier um ein Kleinod in unserer Kulturlandschaft handelt, das singulären Rang hat. Der unermüdliche Münchner Pianist Oliver Triendl hat es nicht nur verstanden, Jahr für Jahr in der schmucken Allgäuer Stadt einen illustren und hochkarätigen Kreis von Musikern zu versammeln, die in unterschiedlichsten Kombinationen von Streich- und Blasinstrumenten mit und ohne Klavier Unbekanntes auf technisch vortrefflichem Niveau und mit einer stets das Publikum begeisternden Freude darbieten. Triendl ist, hierbei organisatorisch tatkräftig unterstützt von dem fürs Kemptener Musikleben verantwortlichen Impressario Franz Tröger, ein ausgesprochen findiger und versierter Programmmacher, und seit fünf Jahren ist die programmatische Ausrichtung jeweils einem Land oder einer Region Europas gewidmet, wobei immer auch ein relativ prominenter Composer-in-Residence vor Ort ist. Nach Frankreich, Skandinavien, Russland und dem Vereinigten Königreich ist dieses Jahr Ungarn an der Reihe. Der auch mit einer Uraufführung vertretene komponierende Gast László Tihanyi ist hierzulande weniger bekannt und wird mit vier Aufführungen geehrt.
Darüber hinaus sind wichtige Vertreter der ungarischen Musik präsent: Bartók mit den Kontrasten und dem frühen Klavierquintett, Kodály mit der Cellosonate op. 4 und dem Intermezzo für Streichtrio, Emánuel Móor mit einer Suite für Bläserquintett und Streichquintett, Leó Weiner, Dohnányi mit dem Sextett für Klarinette, Horn, Streichtrio und Klavier, George Szell, der legendäre Maestro des Cleveland Orchestra, mit einem Klavierquintett von 1911; sodann Jenö Takács (2005 im Alter von 103 Jahren verstorben) mit einem Oktett für Bläserquintett, Violine, Cello und Kontrabass, der faszinierende England-Emigrant Mátyás Seiber mit einer Fantasie für Flöte, Horn und Streichquartett, die Bartók-Nachfahren Ferenc Farkas, Sándor Veress (Sonatine für Oboe, Klarinette und Fagott) und György Ránki, der berühmte Dirigent Antal Doráti mit Notturno e Capriccio für Oboe und Streichquartett (1926) und einem Streicher-Oktett von 1964 – allesamt in ihrer weiten stilistischen Breite Meister der Generation Schostakowitsch; die beiden Großmeister der zweiten Jahrhunderthälfte, György Ligeti und György Kurtág, sind natürlich gebührend vertreten: Ligeti mit dem mittlerweile zum „Klassiker“ gewordenen Horntrio und den „Alten ungarischen Gesellschaftstänzen“ von 1945, Kurtág mit Duos für Violine und Cimbalom, Bagatellen für Flöte, Kontrabass und Klavier und Auszügen aus seinen Spielen und Bach-Transkriptionen für Klavier zu zwei und vier Händen.
Unter den später Geborenen sind, meist mit Kammermusik unter Beteiligung des ungarischen Hackbretts Cibalom, Miklós Kocsár (geb. 1933), László Sáry (geb. 1940), Zoltán Jeney (geb. 1943, mit einem „Farewell to György Ligeti“ für Cimbalom solo), Peter Eötvös (geb. 1944) und György Orbán (geb. 1947) dabei. Und natürlich der 1956 geborene László Tihanyi, mit drei Sätzen für Streichtrio, einem Cello-Solostück, der Nachtszene für Altflöte, Bassklarinette, Cello und Klavier, und der Uraufführung eines halbszenischen Klavierquintetts mit dem Titel „Rundherum“. Dies ist übrigens nicht die einzige Uraufführung: Ragnar Söderlind, Composer-in-residence 2009, hat eigens für Kempten eine nordische Ungarn-Hommage für Viola und Klavier geschrieben: „Erinnerungen an Szentendre, grauer Tag“. Ein wenig ältere Musik gibt es übrigens auch zu hören: das „Zigeunertrio“ von Joseph Haydn, Johannes Brahms’ Klavierquartett in g-Moll mit dem ungarischen Finalsatz (im Vorabkonzert am 16. September), eine Romanze vom ungarophilen Meistergeiger Joseph Joachim, und selbstverständlich Franz Liszt, mit einer Romance oubliée für Viola und Klavier, dem Streichquartett-Satz „Angelus – Prière aux Anges Gardiens“, und der deutschen Erstaufführung des zweiten Mephisto-Walzers in István Lantos’ Fassung für Cello und Klavier.