Nach dem Abschied Torsten Mosgrabers als künstlerischem Geschäftsführer des Deutschen Musikrates schälte sich ein anerkannter Theater- und Veranstaltungsfachmann als Top-Favorit für dessen Nachfolge heraus. Offensichtlich hatte man allerdings vergessen, das Gehalt präzise abzusprechen. Der Aspirant sollte ein knapp 20.000 Euro höheres Jahresgehalt bekommen als seine Geschäftsführer-Kollegen. Präsident Krüger machte sich für eine personalisierte Ausnahmeregelung stark und brachte diesen Vorschlag sogar noch durch den Aufsichtsrat. Gekippt wurde diese „Ausnahmeregelung“ in einer Gesellschafterversammlung des Musikrates. Die Vorgänge veranlassten die nmz nochmals nachzufragen. Andreas Kolb, Chefredakteur der neuen musikzeitung, traf sich mit Martin Maria Krüger, Präsident des Deutschen Musikrates e.V. und Aufsichtsratsvorsitzender der Deutscher Musikrat gGmbH.
neue musikzeitung: Warum braucht es einen künstlerischen Geschäftsführer?
Martin Maria Krüger: Die Insolvenz hat dazu geführt, dass die öffentliche Hand forderte, die Projekte in einer gemeinnützigen Gesellschaft zusammenzufassen, und man hat dann die Form der gemeinnützigen GmbH gewählt. Eine weitere Vorgabe war das so genannte Vier-Augen-Prinzip, also eine Doppelspitze aus zwei Geschäftsführern, die gemeinsam über deren Budget verfügen. Es bot sich an, einen künstlerischen, also für die Inhalte zuständigen, und einen vorrangig kaufmännischen, betriebswirtschaftlich tätigen Geschäftsführer vorzusehen. Inzwischen kennen alle im Metier unseren kaufmännischen Leiter, Norbert Pietrangeli, der hoch erfolgreich arbeitet. Auch der erste künstlerische Geschäftsführer, Torsten Mosgraber, hat eine höchst engagierte und schwierige Aufbauarbeit geleistet, bevor er uns vor kurzem auf eigenen Wunsch verlassen hat. Natürlich musste der Deutsche Musikrat einiges lernen. Früher war der General Manager für die Projekte der Generalsekretär. Der neue Musikrat aber hat es sich zum Ziel gemacht, verstärkt gesellschaftspolitisch tätig zu sein. Das hat dazu geführt, dass man einen politisch wirkenden Generalsekretär hat, der auch dort sitzt, wo in Deutschland inzwischen das politische Herz schlägt, nämlich in Berlin.
Für einen künstlerischen Geschäftsführer konnte es nun nicht darum gehen, die ohnehin gut geleiteten und noch dazu von hoch kompetenten Beiräten betreuten Projekte zu managen. Dafür würde tatsächlich ein kaufmännischer Geschäftsführer weitgehend ausreichen. Ein künstlerischer Geschäftsführer müsste Entwicklungen in Gang setzen, zunehmend auch temporäre Projekte, sei es in Form von Pilotprojekten, entsprechender Kongresse, Begegnungen oder Events. Dafür brauchen Sie eine Kernstelle, die sich eng verlinkt mit dem e.V. und dem politischen Geschehen.
: Am Beispiel des gescheiterten Bewerbungsverfahrens für einen künstlerischen Geschäftsführer: Welche Qualifikation wurde denn da gesucht?
Krüger: Im Ausschreibungstext war die Rede von jemandem mit langjähriger Führungserfahrung in der Leitung einer bedeutenden Kulturinstitution. Damit war ein Kreis angesprochen, der zum Beispiel auch Intendanten und Generalmusikdirektoren umfasst. Es war auch die Rede von einer angemessenen Bezahlung. Es stellte sich dann einfach die Frage, wie wir das mit unserer derzeitigen Struktur in Einklang bringen könnten.
: Nun hat sich die Gesellschafterversammlung und inzwischen auch das Präsidium gegen den Kandidaten des Aufsichtsrats entschieden.
Krüger: Der Aufsichtsrat, der mehrheitlich mit Mitgliedern des Präsidiums besetzt ist, hatte ein ganz eindeutiges Votum getroffen, in Übereinstimmung mit den öffentlichen Händen. Dem hat die nachfolgende Gesellschafterversammlung, in welcher weitere Präsidiumsmitglieder mitwirkten, nicht zugestimmt. Inzwischen hat das Präsidium, im Übrigen nach eindeutiger Stellungnahme der unmittelbar davor tagenden Konferenz der Landesmusikräte, ausdrücklich den Beschluss der Gesellschafterversammlung bestätigt.
: Standen Sie nach wie vor zur Personalentscheidung des Aufsichtsrates? Und wie geht es weiter?
Krüger: Den einstimmigen Beschluss des Aufsichtsrates habe ich so lange wie möglich vertreten. Als Aufsichtsratsvorsitzender habe ich die von mir mit Überzeugung wahrgenommene Verpflichtung, in den Kernfragen Übereinstimmung zwischen den öffentlichen Geldgebern und dem Deutschen Musikrat zu suchen. Hierzu werde ich, werden wir nun einen neuen Anlauf nehmen müssen. Schon im Vorfeld, als die Möglichkeit einer endgültigen Ablehnung des Aufsichtsratsbeschlusses im Präsidium erkennbar wurde, habe ich damit begonnen, auch in dieser zugegebenermaßen schwierigen Situation darauf hinzuarbeiten, dass die enge Zusammenarbeit und das gewachsene Vertrauen nicht verloren gehen.
: Sehen Sie keinen Reformbedarf? Kann nicht der Generalsekretär Aufgaben der künstlerischen Geschäftsführung übernehmen?
Krüger: Der Idealfall ist sicher gegeben, wenn wir einen Generalsekretär haben, der auch stark projektbezogen denkt – und dieses Glück haben wir mit Christian Höppner. Ob er deswegen unmittelbare Zuständigkeiten für die Projekte haben kann, ist damit nicht unbedingt gesagt. Unter dem Gesichtspunkt der engstmöglichen Verbindung von Dachverband und Projektgesellschaft wäre dies allerdings der Idealzustand. Das Präsidium hat intensiv darüber diskutiert, welche Lehren aus den Erfahrungen von zwei Ausschreibungsverfahren und zwei Jahren Tätigkeit eines künstlerischen Geschäftsführers gezogen werden können beziehungsweise müssen. Darüber möchten wir vor einer Wiederholung der Ausschreibung, und das heißt, möglichst vor der nächsten Sitzung des Aufsichtsrates Ende März, mit dem Bundesbeauftragten für Kultur und Medien als federführendem Haus für die öffentlichen Geldgeber sprechen.
: Sie plädieren persönlich für die bisherige Variante, für den künstlerischen Geschäftsführer?
Krüger: Es wäre ein Fehler, im Rückblick pauschal zu sagen, die letzten zwei Jahre seien ein Misserfolg. Es ist aber nicht zu leugnen, dass es Optimierungsbedarf gibt, für den man unterschiedliche Lösungswege sehen kann. Dennoch bin ich ganz zuversichtlich, dass wir uns bald gemeinsam mit unseren Partnern über eine gute Lösung freuen werden und zum Reden über Projekte zurückkehren können.
: Welche Vorhaben sind für Sie in der nächsten Zeit wichtig?
Krüger: Ich sehe mich als denjenigen, der das zu kanalisieren und zu bündeln hat, was aus diesem immerhin neunzehnköpfigen Präsidium einerseits, aus der GmbH mit ihrem auch großen künstlerischen Potenzial andererseits, an Anregnungen kommt.
Die Europäische Ensemble-Akademie, welche wir mit erheblichen Mitteln der Kulturstiftung des Bundes und in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt sowie mit vorbereitender Unterstützung des BKM anlässlich der EU-Ratspräsidentschaft durchführen, stellt für die GmbH eine große Herausforderung dar.
Das große Dauerthema für den Deutschen Musikrat muss immer die musikalische Bildung sein und bleiben. Nachdem wir uns in den letzten Jahren in unseren öffentlichen Verlautbarungen und Themenstellungen, wie zum Beispiel der Ganztagsschule, vor allem mit der Allgemeinbildung befasst haben, kommt im März eine geschlossene Arbeitstagung vorwiegend für eingeladene Fachleute zur Zukunft der Musikberufe. Auch das hat ja mittelbar und unmittelbar sehr viel mit musikalischer Bildung zu tun. Dann folgt schon drei Monate später in Wiesbaden Anfang Juni der Kongress unter dem Motto „Musik mit 50 +“.
Im Übrigen stehen wir jetzt vor dem Abschluss eines Kooperationsvertrags mit dem Goethe-Institut, der eine ganz neue Qualität der Zusammenarbeit im In- und Ausland bringen wird. Nach dem Verlust der Internationalen Verbindungsstelle zur Zeit der Insolvenz war dies seit meinem Amtsantritt eines meiner zentralen Anliegen und Ziele. Dieser Vertrag wird die Wahrnehmung des Deutschen Musikrates im Ausland erheblich verbessern und auch für das Goethe-Institut Vorteile bringen, denn er wird nicht nur die Kompetenz von Deutschem Musikrat und den großen Verbänden des Laienmusizierens in die musikalische Auslandsarbeit einbringen, sondern wir werden als Deutscher Musikrat auch Partner des Goethe-Instituts im Inland sein.
: Thema Musikalische Bildung, dazu gehören auch neue Projekte gemeinsam mit der Phono-Industrie?
Krüger: Mit der Phono-Industrie sprechen wir im Rahmen der Initiative Musik, die Steffen Kampeter aus dem Bundestag heraus angestoßen hat, sowie im Hinblick auf einen möglichen Tag der Musik mit pädagogischem Schwerpunkt.