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Georges de La Tour: Schlägerei der Musikanten. 1625–1630, Öl auf Leinwand, 94,4 × 141,2 cm
Georges de La Tour: Schlägerei der Musikanten. 1625–1630, Öl auf Leinwand, 94,4 × 141,2 cm
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Kastriert Kapitalismus Kreativität ? – Enjott Schneider

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Umfrage der nmz
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Unter dem Titel „Wieviel Ökonomie braucht die Musik?“ findet am Freitag, 20. Oktober 2017 der öffentliche Teil der Mitgliederversammlung des Deutschen Musikrats statt. Im Rahmen der Veranstaltung soll vor allem das Zusammenwirken von kultur-, markt- und gesellschaftspolitischen Aspekten beleuchtet werden. Im Zentrum steht unter anderem folgende Frage: „Inwiefern kann die zunehmende Ökonomisierung unserer Gesellschaft mit künstlerischer Kreativität vereinbart werden?“ Die nmz-Redaktion ließ sich vom Thema zu einer Umfrage unter Kreativen inspirieren. Etwas verschärft fragten wir „Kastriert Kapitalismus Kreativität?“

Musik ist Kunst – kontra Kommerz und Kapitalismus

Diese Definition steht seit vielen Jahren als Motto auf meiner website www.enjott.com. Kunst und Geld sind ein unauflösbarer Antagonismus, wie es der Aphoristiker und Philosoph Sigbert Latzel in „Oft bauten Künstler wegen Geld zum Gelde eine Gegenwelt“ humorvoll formulierte. Freiheit und schwereloser Himmelsflug von Phantasie und Kunst dürfen kategorisch nicht an die funktionalen Niederungen des Geld-Wesens gefesselt sein. Schon die Bibel berichtet, dass die Krämer mit dem Verweis aus dem Tempel vertrieben wurden: Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. Torquato Tasso (1544–1595) bemerkte knapp Wo die Münzen klingeln, schweigt der Philosoph. Dennoch müssen Künstler – die in ihrem Schaffen sich wesenhaft um Nähe zum göttlichen Funken des Einfalls bemühen – Leben und Überleben: dazu braucht es … leider das „Geld“.

In meiner künstlerischen Arbeit gibt es im Rückblick betrachtet nahezu eine feste Gleichung: Kompositionen die ohne Auftrag und nur aus eigenem Antrieb oder aus Begeisterung für ein Projektidee entstanden sind … sind meine besten Werke geworden! Es gab viele Projekte des Herzens, an denen ich „for free“ arbeitete. Nur seinem „Innen“ verpflichtet zu sein und Ideen nicht wegen Geldwert oder vordergründigem Gefallen mit falschem Glanz aufpolieren zu müssen, – das ist echte Freiheit. Diese tut der Seele in einer Zeit gut, in welcher der Mainstream auf der gnadenlosen Fetischisierung von Quantität, Verkaufszahl, Quote, oder Reichweite basiert. Während Kunst und Kultur von Qualität leben, lebt der Kommerz von Quantität.

Der ästhetische Raum ist ein Universum, das keinem dient und sich unendlich ausdehnen kann, wenn man sich vorurteilslos hineinbegibt. Ohne utilitaristische Aspekte kann es in der Kunst um das bloße Spielen des Homo ludens gehen, um Zufall & Emotion vor Kausalität & Rationalismus. Kunst als selbstreferentielles System im Sinne einer „l’art pour l’art“, ist mir persönlich fremd, denn ihr „Nutzen“ (allerdings nicht im platten ökonomischen Sinn) ist mir Anreiz, denn sie stellt existentielle Fragen. Sie spiegelt die zwei Grundfragen des „Wo komme ich her?“ (Vergangenheit) und des „Wo gehe ich hin?“ (Zukunft). Zentral für die Vergangenheitsbewältigung ist die Auseinandersetzung mit den Archetypen von Mensch und Natur. Auf die Herausforderungen der Zukunft reagiert Kunst mit ihrem visionären Gestus und dem spielerisch-querdenkenden Entwurf von Utopien.

Dass Kapitalismus vor allem Innovation und Weiterentwicklung kastriert ist an einem (spätestens seit T. W. Adorno ) sehr bekannten Mechanismus offenkundig: ökonomischer Erfolg führt zwangsläufig zur Repetition des Bewährten und verhindert das Suchen neuer Ideen. Unsere Jetset-Solisten oder auch das immer schmäler werdende Repertoire mit Wiederkäuens von wenigen Topsellern beherrscht ja schon längst gerade die etablierten Philharmonien und Opernhäuser. Deshalb darf ich mit dem Opernlibrettisten Hugo von Hofmannsthal (1874–1929) schließen: Des Teufels Netzwerk in der Welt hat nur den einen Namen – „Geld“ (im Bühnenwerk „Jedermann“).

Enjott Schneider, Komponist, Präsident des Deutschen Komponistenverbandes

 

 

 

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