Dennoch sind in den letzten Jahren Ausschreibungen von Kompositionswettbewerben geradezu sprunghaft angewachsen. Lange Zeit standen sie eher im Abseits, beschränkten sich auf Fördermaßnahmen wie etwa beim französischen Rompreis, der wohl einer der Ahnväter der jetzigen Kompositionswettbewerbe ist. Heute aber erhofft man sich, vor allem weil das zu sichtende Terrain unübersichtlicher geworden ist, von diesen Wettbewerben die Sichtung junger Talente, insgeheim erwartet oder ersehnt man die Entdeckung eines jungen Genies. Vor allem private Förderer des Zeitgenössischen, etwa Sponsoren, sehen den von der Jury erstellten Nachweis kompositorischer Bedeutung gern, denn eine profunde Einsicht in schöpferische Qualitäten ist für den unbedarfteren Außenstehenden eher schwer – im zumindest teilweisen Gegensatz etwa zur Einschätzung instrumentalen oder gesanglichen Könnens. Mit dem erstellten Qualitätsnachweis aber kann man leben, man besitzt ihn schwarz auf weiß, getrost können die Mittel, und seien es nur die für die Aufführung des prämierten Werkes, fließen. Leider ist es aber so, dass die prämierten Werke sich eher selten als schöpferisches Betreten von Neuland erweisen. Die Ausbeute ist gering, ja das Brave, Angepasste, oft auch das sauber Geschriebene hat häufig mehr Chancen als das Abseitige.
Unter verschiedenen Aspekten ist hier der Sachverhalt anders als bei anderen Musikwettbewerben. Kommt man bei diesen zusammen, um vor einer Jury sein Können gleichsam hic et nunc vorzuweisen, so verläuft der Kompositionswettbewerb naturgemäß über ein in der Regel anonymes Einschicken von Partituren. Die Jury tritt zusammen und begutachtet das Geschriebene. Viel anders, so die allgemeine Meinung, ist ein kompositorischer Wettstreit nicht möglich. Das aber birgt eine Menge von Schwierigkeiten. Dennoch sind in den letzten Jahren Ausschreibungen von Kompositionswettbewerben geradezu sprunghaft angewachsen. Lange Zeit standen sie eher im Abseits, beschränkten sich auf Fördermaßnahmen wie etwa beim französischen Rompreis, der wohl einer der Ahnväter der jetzigen Kompositionswettbewerbe ist. Heute aber erhofft man sich, vor allem weil das zu sichtende Terrain unübersichtlicher geworden ist, von diesen Wettbewerben die Sichtung junger Talente, insgeheim erwartet oder ersehnt man die Entdeckung eines jungen Genies. Vor allem private Förderer des Zeitgenössischen, etwa Sponsoren, sehen den von der Jury erstellten Nachweis kompositorischer Bedeutung gern, denn eine profunde Einsicht in schöpferische Qualitäten ist für den unbedarfteren Außenstehenden eher schwer – im zumindest teilweisen Gegensatz etwa zur Einschätzung instrumentalen oder gesanglichen Könnens. Mit dem erstellten Qualitätsnachweis aber kann man leben, man besitzt ihn schwarz auf weiß, getrost können die Mittel, und seien es nur die für die Aufführung des prämierten Werkes, fließen. Leider ist es aber so, dass die prämierten Werke sich eher selten als schöpferisches Betreten von Neuland erweisen. Die Ausbeute ist gering, ja das Brave, Angepasste, oft auch das sauber Geschriebene hat häufig mehr Chancen als das Abseitige. Schöpferische musikalische Arbeit bedeutet im Wesentlichen Grenzüberschreitung. Es ist das Neue, das Andersartige, das an den Fundamenten Rüttelnde, was schon immer neues kompositorisches Tun auszeichnete. Stets warf ein Genie die bestehenden Regeln um, er unterminierte die ästhetischen Werteordnungen, er brach mit Konventionen. Heinz-Klaus Metzgers Satz, dass sich die Qualität schöpferischen Tuns weniger daran erweise, was geschaffen werde, sondern entschiedener daran, was abgeschafft würde, trifft hier den Nagel auf den Kopf. Ein wirklich in seinem gesellschaftlichen Auftrag ernst genommenes Komponieren heißt Neuland betreten, stets mit neuen Ohren zu lauschen, mit neuer Sensibilität auf die Dinge zu reagieren. Wenn Adorno in der in den letzten Jahrzehnten arg strapazierten Debatte über den musikalischen Materialbegriff von der fortwährenden Erschöpfung der Mittel sprach, was dann das Material zum Fortschreiten in neue Regionen zwänge, dann meint dies Ähnliches.Adorno dachte dabei weniger, das wurde ihm häufig unterstellt, an ein hektisches Suchen in entlegenen Winkeln der Klänge, er meinte die stets zu erneuernde Wachheit des Hörens, die vorangetriebene Sensibilität, mit der man sich der Welt des Hörbaren zu nähern habe. Das gewandelte oder neu gesichtete Material ist nur Reflex dieser permanent im Flusse begriffenen Subjekt-Objekt-Beziehung. Ein Paradoxon tritt nun auf: Die Ausschreibung wie das Procedere eines Kompositions-Wettbewerbs behindern geradezu diesen notwendigen Gang der Entwicklung.
Das beginnt schon mit den Besetzungsvorstellungen. Ein Wettbewerb, der für orchestrales Komponieren ausgeschrieben ist, rechnet zum Beispiel mit dem Status quo heutiger Orches-terbesetzung. Hinzu kommt die leidige, in neuschöpferischer Hinsicht völlig ungenügende, ja fatale Ansicht, dass es gewissermaßen eine Hierarchie der kompositorischen Fertigkeit gebe. Der junge Komponist möge am besten mit Klavierstücken, Liedern oder kleiner Kammermusik beginnen, ehe er sich etwa ans Streichquartett und schließlich, als Krönung, an das große Orchester wagt, das nur noch von der ersten Oper als letztendlicher Meisterprüfung überboten wird. Dies tut so, als liege kompositorische Kraft in der Fertigkeit der Handhabung eines stufenweise komplexer werdenden Apparates und der größere verlange gewissermaßen mehr Können.
Anerkennung und Ablehnung
Aus kritischen Beurteilungen von Musik ist der eher abschätzige Satz bekannt, dass der Komponist recht gut zu instrumentieren verstehe – was im Allgemeinen andeutet, dass ein wenig tragfähiges Produkt vorliege, das allerdings technisch ordentlich gearbeitet sei. In der kleinen Anerkennung – sauberes Arbeiten ist ja keinesfalls vernachlässigbar – verbirgt sich eine allgemein künstlerische Ablehnung. In Jury-Debatten bei Wettbewerben aber spielt solch rein technische Fertigkeit eine weit maßgeblichere Rolle. Hie-rüber lässt sich unter den in der Regel ästhetisch divergierenden Juroren Verständigung erzielen.
Und wer schon bei Jurysitzungen dabei war, der weiß, welch hohes Gewicht solche Formen von Konsens, vor allem bei fortschreitender Zeit der Beratung, bekommen. Eine Sicherheit hat die Jury nämlich dabei: sie begibt sich nicht aufs Glatteis des absoluten Irrtums. Die festgestellte und dann auch prämierte technische Fertigkeit kann immer wieder als nicht abweisbarer Beleg vorgewiesen werden. Solche Begleitumstände der Beurteilung sind selbstverständlich auch bei Instrumentalwettbewerben anzutreffen, die unzureichende Wirkung aber ist beim Koponierwettbewerb aus oben genannten Gründen weit größer. Das Handwerk wird beurteilt, während das so wesentliche kreative Musikdenken sich weitgehend der Beurteilung entzieht. Als Folge ergibt sich aber auch eine Verschiebung bei den jungen Komponisten, die an einem Wettbewerb teilnehmen wollen. Unwillkürlich werden sie ästhetisch in die Mitte rücken und existenzielle Grenzen meiden. Das schöpferische Tun fährt dabei auf den Stand und die Bewertungskriterien der Väter zurück. Nichts aber ist für das schöpferische Tun fataler als die freiwillige Selbstzensur, als das Suchen eines Mittelwegs, der laut Schönberg in der Kunst der einzige Weg sei, der nicht nach Rom führt. So schreibt sich letztlich eine Reihe von Wettbewerbskomponisten fort, die heute den Stand des akademisch Komponierenden ablöst.
Erfahrungsaustausch
Freilich sind weiter weisende Möglichkeiten denkbar. Mit seiner thematisch bezogenen Ausschreibung und mit einer möglichst wenig engen Jury mag – hier nur ein Beispiel - das schweizerische Boswil hierfür Denkanstöße geben. Mehrere kompositorische Einsendungen werden hier unter dem Gesichtspunkt einer fruchtbringenden Auseinandersetzung untereinander ausgewählt.
Die Preisträger sind dann zu einem Workshop nach Boswil eingeladen und tauschen ihre Erfahrungen in der Behandlung der thematischen Vorgabe aus. In solche Richtungen wäre weiterzudenken: Verfahren also, die schöpferische Ansätze öffnen und erschließen, anstatt sie zu beschneiden. Und den Jurys sollte der Mut des Irrtums zugebilligt werden. Auch bei der Bestimmung der Gremien sollte es an Kreativität nicht fehlen. Die Generalleitlinie, anerkannte und, wegen der Ausgewogenheit, ästhetisch divergierende Komponisten zu bestimmen, geht in den meisten Fällen schief. Wie wäre es, wenn man eingesandte Kompositionen einmal von zwei, jeweils ästhetisch homogener besetzten und zugleich kompetenten Jurys beurteilen ließe und dann die (vermutlich) beiden gekürten Werke zu Gehör bringt?! Dann stünden auch die Jurys nicht mehr so entrückt im luftleeren Raum, sondern würden sich auch der Debatte stellen. An Ideen in solche Richtungen sollte es jedenfalls nicht mangeln. Sie sind wichtiger als immer noch weitere Kompositionswettbewerbe mit der Fortschreibung des Mittelmaßes.