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Michel Houellebecq: Bayreuther Ringinszenierung "völlig unbedeutend" +++ Tenor Peter Hofmann: Nie wieder auf der Opernbühne +++ Der Bayreuther Festspielchor und sein Direktor Eberhard Friedrich +++ Essen: Colosseum Theater lädt zum Tag der offenen Tür +++ Uraufführung: Mark-Anthony Turnage "A Short Procession" für Klaviertrio +++ Neues Leben im alten Palast - Kultur für alle bis zum 9. November
Michel Houellebecq: Bayreuther Ringinszenierung "völlig unbedeutend"Hamburg (ots) - Für die ZEIT ist der französische Schriftsteller Michel Houellebecq zu den Festspielen nach Bayreuth gereist. Die aktuelle "Ring"-Inszenierung hat ihn schwer enttäuscht: "Sie ist völlig unbedeutend, mehr lässt sich darüber kaum sagen; im Hinblick auf die Musik wirkt sie erstaunlich statisch und kleingeistig, sodass man manchmal den Eindruck hat, ein bürgerliches Drama vor sich zu haben - was für Wagner der Gipfel des Absurden ist."
Für Houellebecq ist in einer schnelllebigen Konsumgesellschaft das Geniale zum Niedergang verdammt: "Die Musik der Zukunft wird also nicht Wagners Musik sein ... Das menschliche Drama in seiner Gesamtheit hat wenig Chancen, in neuer Form dargestellt zu werden, und alles wird mehr und mehr nach dem Motto \'Have fun or die\' verlaufen. Da wir in einer vereinfachten Welt leben, werden wir auch eine vereinfachte Kunst haben."
(ZEIT Nr. 34 mit Erstverkaufstag am Donnerstag, 12. August 2004)
Tenor Peter Hofmann: Nie wieder auf der Opernbühne
Hamburg (ddp). Tenor Peter Hofmann sieht wegen seiner Parkinson-Erkrankung keine Möglichkeit mehr, seine Karriere fortzusetzen. Wenn nicht ein medizinisches Wunder geschehe, werde er nie wieder auf der Opernbühne stehen, sagte der 59-Jährige der Zeitschrift «Neue Revue». Auch die Bayreuther Festspiele besucht er nicht mehr. «Ich möchte nicht, dass die Leute hinter meinem Rücken tuscheln: Schaut mal, da ist doch der Hofmann, siehst du, wie seine Hand zittert», betonte der Sänger.
Hofmann stand den Angaben zufolge 1976 zum ersten Mal in Bayreuth auf der Bühne und ging als jüngster «Parsifal» in die Geschichte der Wagner-Festspiele ein. Die aktuelle «Parsifal»-Inszenierung von Christoph Schlingensief kritisierte er deutlich. «Ob eine Frau mit nackten Riesenbrüsten wirklich für den \'Parsifal\' Sinn macht, bezweifle ich sehr», betonte Hofmann. Aber über Geschmack lasse sich ja bekanntlich streiten.
Hofmann erkrankte vor sieben Jahren an Schüttellähmung. Heute lebt er zurückgezogen mit seiner Lebensgefährtin Sabine (29) und Tochter Laura-Sophie (1) in Bayreuth. Am 22. August wird er 60 Jahre alt.
Der Bayreuther Festspielchor und sein Direktor Eberhard Friedrich
München (ddp-bay). Für die dicken Schlagzeilen auf dem Grünen Hügel sind auch dieses Jahr wieder andere zuständig: Erst Fast-Regisseur Lars von Trier, dann Trotzdem-Regisseur Christoph Schlingensief, anschließend Festspielleiter Wolfgang Wagner und schließlich noch «Parsifal»-Darsteller Endrik Wottrich. Jenseits von Grabenkämpfen, Streitigkeiten und Kompetenzgerangel wird aber auch richtig gute Musik gemacht. Maßgeblichen Anteil daran haben die 134 Sängerinnen und Sänger des Bayreuther Festspielchors mit ihrem Chordirektor Eberhard Friedrich.
Der 46-Jährige, zugleich auch Chordirektor der Berliner Staatsoper «Unter den Linden», leitet den Bayreuther Chor seit 2000. «Natürlich sind einige Inszenierungen wie Schlingensiefs Parsifal sehr einnehmend, aber die Wahrnehmung des Chores in der Öffentlichkeit ist außerordentlich gut», sagt Friedrich. Das klingt bescheiden, wird der Chor in den großen Feuilletons der Republik doch meist nur mit zwei Sätzen gewürdigt. Es fällt aber auf, dass sich am Chor die Geister nie scheiden, sondern die Leistung einhellig gelobt wird. «Dafür müssen wir aber auch einiges leisten», sagt Friedrich.
Der Chorleiter kann dabei auf 58 Frauen und 76 Männer zählen. Und wer im August seinen Jahresurlaub singend in Bayreuth verbringt, der muss hoch motiviert sein. Während andere große Häuser die Sommerpause einlegen, wird in Bayreuth Höchstleistung erwartet. «Denn uns gibt es nur im Sommer», beschreibt Friedrich seinen Chor. Der Festspielchor besteht zur Hälfte etwa aus hauptberuflichen Chorsängern. Sie kommen aus deutschen und internationalen Opernhäusern oder aus Rundfunkchören. Die anderen 50 Prozent setzen sich zusammen aus freiberuflichen Chorsängern, aus Solisten anderer Häuser und auch angehende Sänger bekommen eine Chance. «So mancher Gesangs- und Musikstudent hat im Festspielchor den Grundstein für eine berufliche Karriere gelegt», sagt Friedrich.
Damit der Chordirektor auf einen soliden Stamm von Sängerinnen und Sängern aufbauen kann, finden jedes Jahr etwa 150 Vorsingen in Bayreuth und Berlin statt. Auf dem Programm stehen dann keine Chorpartien, sondern Arien. Sind die 134 Chormitglieder einmal gefunden, dann beginnen etwa vier Wochen vor der Eröffnung der Festspiele die Proben. «An den ersten vier Tagen finden reine Chorproben statt, die können dann schon sieben Stunden dauern», erklärt Friedrich. Das ist auch nicht verwunderlich, denn der Chor muss erst geschaffen werden, Friedrich muss eine Gleichzeitigkeit der einzelnen Sänger erzeugen: «Denn singen können sie alle!» Ist erst mal diese Hürde geschafft, geht es weiter mit den szenischen Proben, anschließend folgen dann die Orchesterproben mit Originalkostümen und -dekoration der Bühne.
Zum Durchschnaufen bleibt da nur sehr wenig Zeit. «Ein freies Wochenende kennen wir in Bayreuth nicht», sagt Friedrich. Freizeit gilt auch während der Spielzeit eher als Fremdwort: Zum einen ist Richard Wagner nicht gerade dafür bekannt, kurze Opern geschrieben zu haben, zum anderen hat der Chor in den meisten Aufführungen sehr viele Partien zu singen. Der diesjährige Spielplan kommt aber dem Chor zumindest etwas entgegen: «Wenn der \'Ring\' aufgeführt wird, dann tritt der Chor nur in der \'Götterdämmerung\' auf», so Friedrich.
Der gebürtige Darmstädter ist Perfektionist - das wird in den Proben und auch während des Einsingens vor dem nächsten Akt deutlich. Da gilt es, wenn nötig, den allerletzten Schliff anzulegen. Friedrich ist ein Mann des offenen Wortes, er spart weder mit Lob noch mit Kritik. Deshalb nimmt es ihm auch niemand übel, wenn er zwei Minuten vor Beginn des 3. Aktes den männlichen Sängern nochmals eindringlich einschärft: «Nicht so gewalttätig, meine Herren!» Schließlich sind für die dicken Schlagzeilen ja andere zuständig
Holger Stiegler
Essen: Colosseum Theater lädt zum Tag der offenen Tür
Essen (ddp-nrw). Am 23. August lädt das Colosseum Theater in Essen
zu einem Tag der offenen Tür und bietet einen Blick hinter die Kulissen des Erfolgs-Musicals «Aida». Wie die Einrichtung am Dienstag mitteilte, können die Besucher in der Zeit von 11:00 bis 18:00 Uhr die Geheimnisse des Theaterlebens erkunden.
Am Tag der offenen Tür könne sich jeder als Star erproben, hieß es weiter. Viele Aktionen laden gerade junge Besucher ein, das eigene Talent zu testen und zu beweisen. Bei zwei großen Aida-Karaoke-Shows im Foyer dürfen die Gäste zeigen, ob eine Aida oder ein Radames in ihm oder ihr steckt. Hauptgewinn ist eine Gesangsstunde bei Amneris-Darstellerin Maricel.
Für alle Autogrammjäger gibt es zudem Signierstunden. Noch näher kann man den Darstellern in der Cocktailbar kommen, wo sie ihr Können mit Shaker und Mixer unter Beweis stellen. Die Maskenwerkstatt zaubert außerdem original Radames-Tattoos auf Oberarme und gibt Tipps für afrikanische Flechtfrisuren. Die Kostümabteilung hält Originalkostüme aus der Show zum Anprobieren bereit.
Uraufführung: Mark-Anthony Turnage "A Short Procession" für Klaviertrio
Mark-Anthony Turnage ist "composer in residence" des diesjährigen Moritzburg Festivals. Dort wird am 21. August 2004 sein neues Werk uraufgeführt, das vom Moritzburg und vom Rye Festival in Auftrag gegebene Klaviertrio A Short Procession. Interpreten sind James Ehnes, Jan Vogler und Louis Lortie.
Weitere prominente Uraufführungen neuer Werke des Briten stehen in der kommenden Saison bevor: Parallel zur Moritzburger Premiere wird am 21. August 2004 bei den Londoner "Proms" Turnages neues Chorwerk vom BBC Symphony Chorus unter Stephen Jackson aus der Taufe gehoben: Calmo, für Chor a cappella und Glocken, auf den Text des "Dona Nobis Pacem". Am 15. Oktober 2004 findet an der Glasgower Royal Scottish Academy of Music and Drama die Premiere des Saxophonkonzerts A Man Descending mit dem Solisten Joe Lovano in Verbindung mit einer Gruppe mehrerer Kammerorchester statt (Folgeaufführung am 16.10.; amerikanische EA am 06./07.05.2005 in Minnesota).
Am 22. Oktober 2004 bringen die Berliner Philharmoniker sowie der Rundfunkchor Berlin unter der musikalischen Leitung von Sir Simon Rattle A Relic of Memory heraus, eine 17minütige Komposition für Chor und großes Orchester auf den Text von Shakespeares Sonett Nr. 71 und Auszüge der Totenmesse (Folgeaufführungen am 23./24.10.). Zwei Ensemblewerke der jüngsten Zeit, Crying Out Loud (UA 26.03.2004, Frankfurt) und No Let Up (UA 15.02.2004, Chicago), kommen am 22. November 2004 im Wiener Musikverein zur österreichischen Erstaufführung durch das Ensemble Kontrapunkte unter Peter Keuschnig. Und am 12. Januar 2005 findet in New York die Premiere des Orchesterstücks Scherzoid mit den New Yorker Philharmonikern und Lorin Maazel statt (Folgeaufführungen am 13./15./18.01., britische EA am 26.01. in London). In Planung befindet sich außerdem die Uraufführung des neuen Klarinettenkonzerts Riffs and Refrains, geschrieben für Michael Collins und das Hallé Orchestra.
Quelle: Pressemeldung Boosey & Hawkes
Neues Leben im alten Palast - Kultur für alle bis zum 9. November
Berlin (ddp). In den ehemaligen Palast der Republik in Berlin zieht ab 20. August neues Leben ein. Dann beginnt in dem asbestsanierten und entkernten Bau das Projekt «Volkspalast», wie ein Sprecher des Vereins Zwischen Palast Nutzung am Mittwoch in Berlin mitteilte. Bis zum geschichtsträchtigen 9. November solle sich das ehemalige «Haus des Volkes» am Schlossplatz in Mitte fast genau 14 Jahre nach seiner Schließung in einen «Volkspalast» verwandeln.
Aus dem Gebäude soll nach dem Willen der Initiatoren eine «Mehrzweckhalle, ein multifunktionelles Stadion von Kunst und Kultur». Besucher können das Haus als Ballsaal, als Theater oder Club, als Labyrinth, Galerie oder als Wasserstadt erleben.
Geplant sind insgesamt 15 Projekte, die teilweise öffentlich durch die Bundeskulturstiftung und den Hauptstadtkulturfonds finanziert werden. Das Spektrum reicht von Theater und Tanz über Konferenzen und Konzerte bis hin zu Lesungen und Filmvorführungen.
Rund 1000 Besucher finden in dem Haus gegenüber dem Berliner Dom Platz. Es soll während seiner «Zwischennutzung» nahezu ganztägig geöffnet und für alle zugänglich sein.
Unterdessen haben die Berliner Festspiele angekündigt, den Palast ebenfalls zu ihrer Bühne zu machen. Regisseur Frank Castorf werde seine Fassung von Alfred Döblins «Berlin Alexanderplatz» als Koproduktion der Festspiele mit der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz neu erarbeiten, wie eine Sprecherin sagte. Die Aufführungen sollen im Januar zu sehen sein.