Hauptrubrik
Banner Full-Size

22.9.: theater und literatur aktuell +++ theater und literatur

Publikationsdatum
Body

Joseph-Breitbach-Preis 2003 in Koblenz verliehen +++ Neuer Roman von Imre Kertész +++ Jenaer Theater - Altes Hallenbad wird Ausweichspielstätte +++ Cottbuser Staatstheater startet in die neue Spielzeit


Joseph-Breitbach-Preis 2003 in Koblenz verliehen
Koblenz (ddp-swe). In Koblenz ist am Samstagabend der renommierte Joseph-Breitbach-Preis für deutschsprachige Autoren verliehen worden. Mit der Auszeichnung wurden im Koblenzer Stadttheater der Literat und Grafiker Christoph Meckel, die in Rumänien geborene Schriftstellerin Herta Müller sowie der Sprachwissenschaftler Harald Weinrich ausgezeichnet.
Der Breitbach-Preis ist mit 120 0000 Euro die höchstdotierte Literaturauszeichnung in Deutschland. Benannt wurde er nach dem aus Koblenz stammenden Literaten und Mäzen Breitbach, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre. Die Auszeichnung wird seit 1998 von der Stiftung Joseph Breitbach und der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz verliehen.
Der 1935 in Berlin geborene Christoph Meckel wird für sein umfangreiches, grafische und literarische Arbeiten verbindendes Werk ausgezeichnet. Meckel verschmelze Poesie und Prosa, Erzählung und Essay, Biographie und Fiktion und präsentiere dabei eine Fülle von Bildern, Phantasie und Märchen-Motive, hieß es in der Begründung der Jury.
Herta Müller wiederum habe sich ihren «scharfen, das Unscheinbare und vorgeblich Harmlose der Gegenwart zergliedernden Blick» ihrer ersten Werke bewahrt. Bis heute wirkten in ihren Erzählungen das Trauma der alten Diktatur und die Skepsis gegenüber einer freien Wohlstandsgesellschaft zusammen mit Poesie, Märchenbild und Wortspiel.
Der Romanist Harald Weinrich wird für seine Errungenschaften in der Sprachwissenschaft ausgezeichnet. «Seine Arbeiten zur Kunst und Kritik des Vergessens und zur Literatur der Heiterkeit nehmen spielerisch alle Farben der von ihm durchmessenen Landschaften auf», lobte die Jury. Weinrich wurde 1992 als erster Ausländer an das Collège de France, Paris, berufen und etablierte mit dem Fach «Deutsch als Fremdsprache» an seinem Münchner Lehrstuhl eine neue akademische Disziplin.

Neuer Roman von Imre Kertész
Imre Kertész hat am Sonntag seinen neuen Roman "Liquidation" in Deutschland vorgestellt. Im Berliner Ensemble las der ungarische Literaturnobelpreisträger eineinhalb Stunden aus der deutschen Übersetzung.
Kertész wurde nach der Lesung vom Publikum mit Ovationen überschüttet. Suhrkamp-Verlagsleiter Günter Berg sagte im voll besetzten Theater am Schiffbauerdamm, Kertész habe einen Roman "über die Wirklichkeit und Mächtigkeit von Literatur" geschrieben. Dabei variiere er das Thema der Schicksallosigkeit und thematisiere Auschwitz in ungewohnter Weise.
Liquidation beginnt 1999, als ein 45-jähriger Verlagslektor wieder einmal vor einem Manuskript seines Freundes B. sitzt. Dieser hatte 1990 ein Theaterstück über die Liquidation eines, ihres Verlags geschrieben, und sich dann umgebracht: "Seid mir nicht böse! Gute Nacht!" stand auf dem Zettel, den Keres?, der Lektor, nach dem Selbstmord seines Freundes in dessen Wohnung gefunden hatte. Seitdem sucht er im literarischen Nachlass nach Spuren eines großen Romans, den B. geschrieben haben muss. Diese Suche ist zugleich eine Erinnerungsarbeit; eine "Aufrechnung" (der ungarische Titel "Felszámolás" bedeutet sowohl Liquidation als auch Aufrechnung) des Lebens einer Generation jüdischer Intellektueller, die im sozialistischen Ungarn Dissidenten waren und denen nach der Wende der zur Identifikation nötige Gegner weggebrochen war. "Liquidation" greift Figuren aus "Kaddish für ein ungeborenes Kind" auf, ohne dass - laut Autor - die Kenntnis dieses Buches für das Verständnis jenes notwendig ist.
Kertész selbst hatte zur Buchvorstellung des Originals am 10. September in Ungarn gesagt, er könne keinen Roman über den Holocaust schreiben. Der Holocaust endete in den Gaskammern der Vernichtungslager, was dort hinter verschlossenen Türen passiert ist, könne er nicht beschreiben, sagte er der Nachrichtenagentur MTI. Sein Nobelpreis-Buch "Roman eines Schicksallosen" (ung. Sorstalánság - Schicksallosigkeit) sei auch kein Buch über Auschwitz, sondern über das Kadár-Regime.
Quelle: http://www.mdr.de/eu/aktuell/947236.html

Jenaer Theater - Altes Hallenbad wird Ausweichspielstätte
Jena (ddp-lth). Ungewöhnliche Einsichten bietet das Ensemble des Theaterhauses Jena seinem Publikum in der kommenden Spielzeit. Für die ersten drei Monate werde die Theatergruppe um Regisseurin Claudia Bauer ihre Spielstätte in das Jenaer Volksbad verlegen, sagte Geschäftsführer Roman Rösener am Freitag in Jena. Dieser Standortwechsel sei erforderlich, weil im Theaterhaus die Elektroleitungen neu verlegt werden müssen.
Für das Ensemble sei die Ausweichspielstätte eine Herausforderung. Gleichzeitig gebe sie Raum für Assoziationen, so in der Wahl der Stücke, die in der bevorstehenden Spielzeit alle «Helden» als Kristallisationspunkt haben.
Eröffnet wird die Spielzeit in Jena am 16. Oktober mit «Die Überflüssigen» nach Platonow von Tschechow. Von Tschechows Akteuren - Adligen, die gezwungen sind, ihr gewohntes Leben aufzugeben - werde das Ensemble Verbindungen ins Heute ziehen. «Bei uns sind heute die einfachen Menschen und Leute aus dem Mittelstand, die ihre Arbeit und damit ihren Lebensinhalt verlieren, die Überflüssigen», erklärte Regisseurin Bauer. Überflüssig sei jedoch auch das gesamte Theaterensemble, das 2003/2004 seine letzte Spielszeit in Jena absolviert. Auf diese besondere Situation nehmen die Schauspieler mit ihrem zweiten Stück Bezug, das den Titel «Deutsche Freischwimmer» trägt. Dort werden die Zuschauer Mitwirkende in einem üblichen, aber auch makaberen Vorsprech-Marathon der Jenaer Spieler.
Weitere Inszenierungen sind «Die Nibelungen», «Liliom» von Ferenc Molnar, ein patriotisches Fußballstück von Marc Becker und «Vaterlos» von Claudius Lünstedt. Den Abschluss bildet Shakespeares «Sommernachtstraum», der als Open-Air-Spektakel mit einer großen Zahl von Laienschauspielern zur Eröffnung der 13. Kulturarena Jena zur Aufführung kommt.
http://www.theaterhaus-jena.de

Cottbuser Staatstheater startet in die neue Spielzeit
Cottbus (ddp-lbg). «Los! Fertig werden Jungs!» Im Cottbuser Staatstheater verlegen Zimmerleute noch die letzten Bühnenbretter während die ersten Premierengäste schon ihre Plätze suchen. Nervös versuchen die Arbeiter ihren Job zu vollenden, damit die Inszenierung von Shakespeares «Ein Sommernachtstraum» endlich beginnen kann. Erst auf den zweiten Blick wird klar: Die Zimmerleute spielen bereits ihren Part in der sommerlichen Komödie, die am Wochenende die neue Spielzeit des Staatstheaters eingeläutet hat.
Die Geschichte: In einer dieser schwülen Sommernächte, in denen sich Realität und Traum vermischen können, passieren in einem Wald bei Athen ungeahnte Dinge: Kobolde, Elfen, Spuk und Zauberei verwandeln den nächtlichen Forst in einen mystischen Ort, an dem vier junge Menschen durch den Saft einer Zauberblume, die unsterblich verliebt macht, in heftige Gefühlswirrungen geraten. Der Weber Zettel wird in einen Esel verwandelt und verbringt mit der Elfenkönigin Titania die verrückteste Nacht seines Lebens. Alles endet in der pompösen Hochzeitsfeier von Theseus, dem König von Athen und der Amazonenkönigin Hippolyta. Was zurückbleibt sind die Erinnerungen an die Nachtgespinste, unwirklich und rätselhaft - eben wie ein Sommernachtstraum.
Mythen, Lebensansichten, Lebenswege und Lebensträume werden beschrieben, ganz, wie es das gleichlautende Motto der neuen Cottbuser Spielzeit will. Die «Wiederverzauberung des Theaters ist unser Ziel», sagt der neue Intendant Martin Schüler. Und diese Verzauberung beginnt mit den Zimmerleuten vor geschlossenem Vorhang, schon bevor der Zuschauer die eigentliche Vorstellung erwartet.
Es ist die unerwartete Verzauberung der Wirklichkeit, die auch den Zuschauer in ungewohnter Weise mit in das Spiel einbezieht. Im Cottbuser Sommernachtstraum sitzen die Akteure auch mal zwischen den Zuschauern, versucht die schöne Amazonenkönigin Hippolyta durch den Zuschauereingang zu fliehen und klaut der hereinschwebende Elf Puck dem Dirigenten sein Werkzeug. Die Bühne bildet unerwartet keine Barriere zu den Theaterbesuchern mehr und das Stück wird so im ganzen Saal inszeniert.
Intendant Schüler setzt hierbei auch auf ein leistungsfähiges Mehrspartentheater und die verstärkte Zusammenarbeit der Sparten Schauspiel, Oper, des Ballettensembles und des Philharmonischen Orchesters. Ein Vorhaben, das im Cottbuser Sommernachtstraum bereits gelungen ist: Die Musik Mendelssohn Bartholdys treibt hier die Handlung voran und bestimmt das Spieltempo während die rund 100 mitwirkenden Schauspieler, Sänger und der Chor sich miteinander behaupten müssen ohne dabei in der Masse unterzugehen.
Umso wichtiger ist da die finanzielle Rückendeckung, die in Cottbus noch bis vor Kurzem gefährdet schien. Erst vor wenigen Wochen hatte Oberbürgermeisterin Karin Rätzel bereits angekündigte Kürzungen wieder zurückgenommen, so dass Schüler jetzt mit seinem bisherigen Personal weiterarbeiten kann. Auch seine Pläne, Theater an neuen Orten zu spielen, stehen damit auf einem festeren Fundament. Geplant sind unter anderem Konzerte im Schlossmusikzimmer des Branitzer Parks und musikalische Open-Air-Aufführungen.
Auch die Tagebaufolgelandschaften der Lausitz haben es dem neuen Intendanten angetan. Pyramiden aus uraltem Sand könnten hier als Kulisse für eine «Aida»-Inszenierung dienen und bei der «Wiederverzauberung des Theaters» helfen.
Dana Trenkner