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Berliner Maxim Gorki Theater wird 50 +++ Christoph Marthaler bleibt Direktor in Zürich +++ Wolfgang Hilbig mit Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet
Berliner Maxim Gorki Theater wird 50Berlin (ddp). Das Berliner Maxim Gorki Theater feiert am Mittwoch mit einem großen Fest seinen 50. Geburtstag. Das mit 440 Plätzen kleinste Stadttheater Berlins war am 30. Oktober 1952 mit einem speziellen Auftrag gegründet worden: Es sollte nach sowjetischem Vorbild ein sozialistisches Vorzeigetheater werden, eine Parteibühne, die den Kampf der Menschen um eine bessere Zukunft in den Mittelpunkt stellt.
Gründungsintendant Maxim Vallentin, aus der Moskauer Emigration gekommen, galt als Garant für die Umsetzung sowjetischer und russischer Dramatik. 1954 führte er zum ersten Mal ein Stück des Theaternamensgebers auf - «Dostigajew und andere». Gorki schrieb es 1932. «Nachtasyl» stand 1957 erstmals auf dem Spielplan der Bühne, inszeniert ebenfalls von Vallentin. 409 Mal wurde das Stück damals gespielt. Vallentin-Nachfolger Albert Hetterle brachte «Nachtasyl» 1977 erneut auf die Bühne.
Erst sechs Jahre nach seiner Berufung wandte sich Vallentin DDR-Gegenwartsstücken zu. 1958 gab es Hans Luckes «Kaution» und Heiner Müllers «Der Lohndrücker» sowie «Die Korrektur» von Heiner und Inge Müller. In den 60er Jahren begann der junge Regisseur Horst Schönemann mit einem neuen frischen Stil am Haus. Es entwickelten sich Freiräume, auch über einen «besseren» Sozialismus zu streiten. Die Bühne öffnete sich für neuere westliche Dramatik. 1965 inszenierte Schönemann «Die Geisel» von Brendan Behans. Bereits 1960 hatte der Regisseur Kurt Böwe an das Haus geholt, der einer der großen Darsteller des Deutschen Theaters werden sollte.
Das «Gorki» wurde für viele Schauspieler und Regisseure zum Sprungbrett in eine große Karriere in Theater und Film. Dazu gehören Jutta Hoffmann, Jenny Gröllmann, Katja Paryla, Hilmar Thate, Jörg Gudzuhn, Uwe Kockisch und Thomas Langhoff. Regisseur Langhoff sagt über sich, ohne das Maxim Gorki Theater, ohne den Intendanten Hetterle, wäre er der deutschen Bühne wohl «erspart geblieben».
Hetterle führte von 1968 bis 1994 das «Gorki». Er band neue Regisseure an das Haus, neben Langhoff zum Beispiel Rolf Winkelgrund, und arbeitete mit den Dramatikern Peter Hacks, Ulrich Plenzdorf, Rainer Kerndl und Claus Hammel zusammen. Schützend stellte sich Hetterle vor das Ensemble, wenn es galt, politisch unbequeme Stücke auf die Bühne zu bringen. Ein Jahr nach der Uraufführung im Westen gelang im März 1988 die Premiere von Volker Brauns visionärem Stück «Die Übergangsgesellschaft», in dem er das Ende der DDR vorwegnahm, im Maxim Gorki Theater. Regie führte Thomas Langhoff. Es wurde ein großer Publikumserfolg mit legendären Diskussionsrunden nach den Vorstellungen. Schauspieler des «Gorki» gehörten gut anderthalb Jahre später zu den Organisatoren der Massen-Demonstration vom 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz, die eine andere DDR forderte.
Seit der Wende sucht die Bühne ihren Platz in der Theaterlandschaft. Der erste West-Intendant des «Gorki», Bernd Wilms, sah eine Chance im anspruchsvollen Boulevard. Unter seiner Leitung von 1994 bis 2001 ging der Vorhang auf für Ben Becker, Katharina Thalbach und Harald Juhnke. Für Juhnke als Hauptmann von Köpenick in der Regie der Thalbach bildeten sich lange Schlangen an den Kartenschaltern. Auch «Berlin Alexanderplatz» von Alfred Döblin mit Becker, inszeniert von Uwe Eric Laufenberg, sorgte für ein ausverkauftes Haus.
Seit der Spielzeit 2001/2002 bestimmt der vormalige Intendant des Theaters Neumarkt Zürich, Volker Hesse, die Geschicke im Hause. Mit ihm soll es wieder politischer werden, ein eigenes Gorki-Stück in neuer Auseinandersetzung mit dem Namensgeber wieder zum Repertoire gehören. Gerade hatte Hesses Inszenierung «Wölfe und Schafe» von Alexander N. Ostrowskij Premiere. Im November folgt «Dr. Faustus lights the light» von Gertrude Stein. Für Januar ist Shakespeares «Romeo und Julia» in Thalbach-Regie geplant.
Andrea Marczinski
Christoph Marthaler bleibt Direktor in Zürich
orf - Christoph Marthaler bleibt Direktor des Zürcher Schauspielhauses. Nach Angaben des Komitees "Damit Marthaler bleibt" hat der Verwaltungsrat des Schauspielhauses Montag Vormittag bekannt gegeben, dass es zu einer Einigung mit Marthaler gekommen sei. Der Direktor des Schauspielhauses habe einen weiterführenden Vertrag unterzeichnet. Nähere Details waren vorerst nicht bekannt.
Ende August hatte der Verwaltungsrat erklärt, sich mit Ende der Saison 2002/03 von Marthaler trennen zu wollen. Angesichts der stetig sinkenden Zuschauerzahlen sei klar geworden, dass dessen künstlerisches Konzept mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht weitergeführt werden könne, hieß es damals. Die Entscheidung hatte zu heftigen Protesten in der deutschsprachigen Theaterszene geführt.
Das Komitee "Damit Marthaler bleibt" freut sich über den Entscheid des Schauspielhaus-Verwaltungsrats, Intendant Christoph Marthaler eine zusätzliche Spielzeit zu gewähren.
"Es ist gut, dass der Marthaler in der Stadt bleibt", schreibt das Komitee in einer Medienmitteilung. Die Freude, dass der Intendant und sein "wunderbares Ensemble" ihre Arbeit weiterführen können, reiche weit über den Kreis der Stadtzürcher Theaterfreunde hinaus.
Da das Komitee seinen Zweck erfüllt habe, löse es sich per sofort auf, heisst es in der Mitteilung. Das Geld aus dem Solidaritätsfonds wird dem Schauspielhaus überwiesen.
Wolfgang Hilbig mit Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet
Darmstadt (ddp). Der Schriftsteller Wolfgang Hilbig ist mit dem Georg-Büchner-Preis geehrt worden. Wie seinerzeit Büchner habe auch der in der DDR aufgewachsene Hilbig eine Gesellschaft miterlebt, in der Deutungsmuster vorgegeben waren, sagte Bundespräsident Johannes Rau am Samstag bei der Preisverleihung in Darmstadt. Eine freie Gesellschaft komme aber ohne eine Literatur als «Ebene der Selbstverständigung» nicht aus. Der mit 40 000 Euro dotierte Preis ist die angesehenste deutsche Literaturehrung.
Hilbigs Schriftstellerkollege Georg Klein verglich in seiner Laudatio den literarischen Stil des Preisträgers mit den «Wogen» einer «unerhörten Sprache». In seinen Werken biete Hilbig Texte auf, die den Lesern «das Rare gemein» machten.
Der Preisträger bezeichnete in seiner Dankesrede die Literatur in Deutschland als «randständig». Sie gebe «ihren Platz auf», sagte Hilbig. «Jedenfalls ist sie dabei, dies zu tun." Wenn sich Literatur diesem Vorhaben immer widerstandsloser hingebe, werde sie eines Tages «überhaupt keinen Platz mehr haben». Die Ehrung mit dem Georg-Büchner-Preis mache ihm aber Hoffnung, dass seine «Wörter und Sätze nicht vollkommen ins Leere laufen», sagte Hilbig.
Hilbig wurde 1941 in Meuselwitz bei Leipzig geboren, siedelte 1985 in die Bundesrepublik über und lebt jetzt in Berlin. Der heute 61-Jährige ist gelernter Dreher, arbeitete in der DDR als Heizer und Monteur. 1988 veröffentlichte er seinen ersten Gedichtband «Abwesenheit» beim S. Fischer Verlag. Von DDR-Verlagen waren seine Arbeiten zuvor abgelehnt worden. Hilbig ist Träger zahlreicher Auszeichnungen. Unter anderem erhielt er den Brüder-Grimm-Preis, den Ingeborg-Bachmann-Preis und den Fontane-Preis der Akademie der Künste Berlin. Zuletzt erschienen sein Roman «Das Provisorium» und der Gedichtband «Bilder vom Erzählen».
Der Georg-Büchner-Preis wird alljährlich von der Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung verliehen. Zum ersten Mal ging die Auszeichnung 1923 an den Komponisten Arnold Mendelssohn und den Schriftsteller Adam Karillon. In den Jahren 1933 bis 1944 wurde der Preis nicht vergeben. Benannt ist die Auszeichnung nach dem 1813 in Goddelau bei Darmstadt geborenen Dramatiker Georg Büchner, der 1837 in Zürich starb.
Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung verlieh am Samstag in Darmstadt außerdem den diesjährigen Sigmund-Freud-Preis an den Berliner Religionswissenschaftler Klaus Heinrich (75). Der ebenfalls vergebene Johann-Heinrich-Merck-Preis ging an den Stuttgarter Literaturkritiker Volker Klotz (72).
Stefan Höhle