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Trotz sinkender Steuereinnahmen und Klagen über Finanznöte wollen viele Städte in Baden-Württemberg die Kultur weiter hochhalten. In den mittleren Städten sollen die finanziellen Mittel der meisten kulturellen Einrichtungen auf bis herigem Niveau erhalten bleiben.
Stuttgart (ddp-bwb). Baden-Württemberg wird 50, und jeder macht Kultur: Schier unübersehbar ist die Fülle der Veranstaltungen, die sich an das goldene Jubiläum des südwestdeutschen Bundeslandes hängen. Viele Projekte, die auch ohne den historischen Anlass stattgefunden hätten, richten ihr Programm auf die Landesgeschichte aus. Zahlreiche Kulturmacher haben aber auch "einmalige" Ideen realisiert. Das kreative Spektrum reicht von repräsentativer Klassik bis zur kultverdächtigen Schwarzwaldklinik-Reprise.Trotz sinkender Steuereinnahmen und Klagen über Finanznöte wollen viele Städte in Baden-Württemberg die Kultur weiter hochhalten. Eine Umfrage der Nachrichtenagentur ddp in den mittleren Städten ergab, dass die meisten kulturellen Einrichtungen auf bisherigem Niveau finanzielle Mittel erhalten. In Schwäbisch Hall, wo die Einnahmen aus der Gewerbesteuer drastisch gesunken sind, wird allerdings massiv der Rotstift angesetzt. Der Zukunft sehen auch die Kulturverantwortlichen in anderen Städten mit Skepsis entgegen.
Freudenstadt musste bisher keine Kürzungen im Kulturetat hinnehmen, der vier Prozent vom Gesamthaushalt umfasst. "Der existenzielle Schlag trifft uns in diesem Jahr noch nicht", sagte Kulturamtsleiter Reinhold Beck. Es stehe aber zu befürchten, dass Kürzungen kämen. Dann müsse sich jedoch auch das Land Gedanken machen, welchen Stellenwert es der Kultur in den mittleren Städten einräumen wolle.
Auch die Pforzheimer sind nach Auffassung von Kulturamtsleiter Alfred Hübner kulturell gut versorgt. "Der musikalische Bereich ist hervorragend abgedeckt", sagte Hübner mit Verweis auf das Südwestdeutsche Kammerorchester Pforzheim. Auch das Theater, das drei Viertel des Kulturetats verschlingt, sei in keiner Weise gefährdet, betonte Hübner. Den Blick auf die Zukunft gerichtet fügte der Amtsleiter aber hinzu: "Die schlimmen Zeiten kommen garantiert wieder." Schon bei den Haushaltsberatungen für 2002 habe es geknirscht, und für 2003 male der Kämmerer schwarz.
In Schwäbisch Hall herrscht unterdessen der Ausnahmezustand. "Wir müssen erhebliche Abstriche machen", sagte die Kulturbeauftragte der Stadt, Ute Christine Berger. Wie in allen anderen Bereichen werde auch der Kulturetat um 25 Prozent gekürzt. Gegenmaßnahmen wie die Einführung von Eintrittsgeldern in bislang frei zugänglichen Museen oder kürzere Öffnungszeiten seien da unumgänglich. Auch Personal werde eingespart. "Die Schmerzgrenze ist erreicht", betonte Berger.
Solche Probleme stehen in Offenburg nicht auf der Tagesordnung. "Wir kriegen Dinge hin, da scheitern die großen Städte", sagte der Offenburger Fachbereichsleiter Kultur, Hans-Joachim Fliedner. Die mittleren Städten müssten nur "völlig andere Wege gehen". Wer die 57 000-Einwohner-Stadt Offenburg zu einem zweiten Frankfurt am Main machen wolle, müsse scheitern. Wichtig sei es, in finanziell schwierigen Zeiten, "zeitgemäße andere Formen" der Finanzierung wie zum Beispiel Stiftungen zu finden.
Aalen kann sich ebenfalls glücklich schätzen. Nach Angaben von Kämmerer Siegfried Staiger hat die Stadt bislang keine großen Steuereinbrüche zu verzeichnen. Mit 9,4 Millionen Euro weise der Kulturetat für dieses Jahr sogar ein kleines Plus auf. Der Kämmerer fügte hinzu: "Wir schwimmen zwar nicht im Geld, stehen aber zu unserem Auftrag." Der Stellenwert der Kultur in Aalen sei sehr hoch. Ähnlich ist die Lage auch in Ravensburg. Dem Kulturreferent Thomas Knubben zufolge wurde bei den Haushaltsberatungen vereinbart, die Kultur und Schulen von Kürzungen auszusparen. Wie zuvor stehen auch 2002 rund 5,5 Millionen Euro für die Kultur zur Verfügung.
Keine Klagen auch aus Friedrichshafen. "Wir haben zwar immer noch den gleichen Etat wie vor zehn Jahren", sagte Kulturamtsleiter Winfried Neumann, "aber der ist auf einem hohen Niveau". Für eine umfassende kulturelle Versorgung sieht Neumann auch in Zukunft keine Gefahr. Auch in Esslingen wird die Kultur weiterhin groß geschrieben. Obwohl sich die finanzielle Lage der Stadt in den letzten zehn Jahren insgesamt verschlechtert habe, gebe es keine Kürzungen, berichtete Kulturreferent Peter Kastner.
Ulrike Geist und Tanja Wolter