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Alexander Solschenizyn verstorben

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Der russische Literaturnobelpreisträger Alexander Solschenizyn ist tot. Der Schriftsteller und frühere Dissident starb in der Nacht auf Montag im Alter von 89 Jahren in seinem Haus in Moskau.

Als Solschenizyns wichtigstes Werk gilt "Archipel Gulag", in dem er die Bedingungen in russischen Arbeitslagern beschrieb. Solschenizyn erlangte als Autor Weltruhm und wurde als der "bedeutendste Prosaiker" der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts bezeichnet.

Sein Lebensweg führte ihn von Stalins Straflagern zum Weltruhm als Schriftsteller, in ein 20-jähriges Exil und schließlich zurück in eine veränderte Heimat. Wie kein anderer setzte er die Macht des literarischen Wortes gegen die sowjetische Tyrannei. "Ein Wort der Wahrheit überwindet die ganze Welt", sagte der Autor 1974 in seiner verspäteten Nobelpreisrede. Als sein Hauptwerk gilt der dreibändige Dokumentarroman "Archipel Gulag" (1973), in dem er mit Tausenden von Beispielen den stalinistischen Terror in der Sowjetunion darstellt.

Im Juni 2007 wurde Solschenizyn mit dem russischen Staatspreis ausgezeichnet. Den Preis in der Kategorie "Humanitärer Einsatz" hatte Solschenizyns Frau Natalja stellvertretend entgegengenommen, weil der damals schon gebrechlich wirkende Autor nicht an der Zeremonie teilnehmen konnte.
Geboren wurde der "wohl bedeutendste Prosaiker der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts" (Wolfgang Kasack) am 11. Dezember 1918 in Kislowodsk im Nordkaukasus. Solschenizyn studierte Mathematik und Physik und zog als Hauptmann der Roten Armee in den Zweiten Weltkrieg. 1945 brachten Briefe mit abfälligen Bemerkungen über Stalin Solschenizyn ins Straflager. Den Alltag eines Lagerhäftlings schildert Solschenizyn in seinem Debüt. Die Erzählung "Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch" machte den Autor 1962 weltbekannt und galt als Höhepunkt des literarischen "Tauwetters" unter Parteichef Nikita Chruschtschow. Es war Solschenizyns einziges Werk, das in seiner Heimat zu Zeiten der Sowjetunion veröffentlicht wurde.
1970 wurde Solschenizyn der Nobelpreis "für die ethische Kraft, mit der er die unveräußerliche Tradition der russischen Literatur weitergeführt hat", zuerkannt. Moskau ließ ihn jedoch nicht zur Preisverleihung reisen. Vier Jahre darauf wurde er des Landes verwiesen. Solschenizyn lebte daraufhin zunächst in Deutschland, wo er unter anderen beim Schriftsteller Heinrich Böll Unterkunft fand. Nach Stationen in der Schweiz und in Chile ging Solschenizyn in die USA. Im US-Bundesstaat Vermont widmete er sich nach "Archipel Gulag" seinem zweiten Hauptwerk. Das "Rote Rad" sollte in 20 Bänden den Untergang Russlands in der Revolution erzählen. Nur die Bände "August 1914", "November 1916" und "März 1917" erschienen. Das Werk gilt als umstritten, da der Westen mit Solschenizyns konservativen Warnungen vor einem Abfall von Religion und Moral nur wenig anfangen konnte.
Drei Jahre nach dem Ende der Sowjetunion kehrte der Autor 1994 in die Heimat zurück. Auf einer 55-tägigen Zugreise von Wladiwostok nach Moskau lernte er das veränderte Land kennen. In mehreren Schriften, zuletzt "Russland im Absturz" 1998, verurteilte er die fehlgeleiteten Reformen, die Verarmung, den Mangel an Demokratie. Als Mahner für ein Russland auf der Grundlage von Gemeinsinn und orthodoxem Glauben fand Solschenizyn aber immer weniger Gehör. Mit dem letzten Werk "Zweihundert Jahre gemeinsam", einer Dokumentation über das Zusammenleben von Russen und Juden, versuchte Solschenizyn, beiden Gruppen ihren Teil der "Schuld" an der russischen Revolution zuzumessen. Das führte zwangsläufig zu Missverständnissen und zum Vorwurf des Antisemitismus, so dass Kritiker ihm rieten, nicht "seine unvergängliche historische Leistung als Autor des \'Archipel Gulag\' zu verdunkeln" (Gerd Koenen).
Der Präsident der Akademie der Wissenschaften Russlands, Juri Ossipow, hatte Solschenizyn dennoch im vergangenen Jahr als einen der "größten Historiker und Philologen" des 20. Jahrhunderts gewürdigt. Besonders verdienstvoll sei Solschenizyns Bibliothek über die Exilrussen. Die Stiftung Russisches Ausland in Moskau beherbergt in ihrem Gebäude mehr als 50.000 Bände über die Emigration von Russen seit 1917. Im Moskauer Verlag Wremja entsteht bis 2010 die erste Gesamtausgabe seiner Werke in 30 Bänden.

Quelle: orf.at