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Ein Leben auf der Bühne - Heesters spielt immer noch

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"Standing ovations" für den greisen Mimen - Der 98-jährige Heesters spielt in Tschechows Komödie "Der Kirschgarten" im kleinen Münchner Metropol-Theater.

München (ddp-bay). Der Mann ist ein Denkmal. Dass er mit 98 Jahren überhaupt noch auf der Bühne steht, grenzt an ein Wunder. Und dass er immer noch ein durchaus ernst zu nehmender Schauspieler ist, bewies Johannes Heesters mit seinem jüngsten Auftritt in Tschechows Komödie "Der Kirschgarten", die am Donnerstagabend im kleinen Münchner Metropol-Theater Premiere hatte. Mit "standing ovations" dankte das Publikum einem Mann, dessen Lebensspanne nun fast ein ganzes Jahrhundert umfasst, und der zuweilen immer noch die Ausstrahlung des jugendlichen Lebemanns besitzt, den er Zeit dieses Lebens verkörperte.

Heesters erblickte am 5. Dezember 1903 im holländischen Amersfoort das Licht der Welt. Zur gleichen Zeit besuchte der russische Schriftsteller Anton Tschechow (1860-1904) im Moskauer Künstlertheater die erste Probe zur Uraufführung seines neuen Stückes. "Der Kirschgarten" wurde eines seiner populärsten Werke, ein heiter-melancholischer Abgesang auf das alte großbürgerlich-feudale Russland am Vorabend der Revolution.

Hauptperson des Stückes ist die verarmte Gutsbesitzerin Ljubow Ranjewskaja, die aus Paris an den Ort ihrer Kindheit in der russischen Provinz zurückkehrt. Zusammen mit ihrem Bruder Gajev muss sie mit ansehen, wie ihr überschuldetes Familiengut mitsamt dem wertvollen Kirschgarten an den zu Reichtum gelangten Bauern Lopachin verkauft wird. Der lässt den Garten alsbald abholzen, um dort Ferienwohnungen für erholungssuchende Städter zu bauen. Die Familie übersiedelt wieder nach Paris; der alte Diener Firs bleibt allein zurück.

Die Rolle des 87-jährigen Hausdieners, Relikt einer vergangenen Epoche, scheint Heesters auf den Leib geschrieben. Nicht nur, weil da ein alter Mann einen alten Mann spielt. Heesters trifft den nach innen gerichteten Blick des greisen Faktotums, das ausgedient hat und den Untergang seiner Welt betrauert. Auch wenn Firs\' resignativer Befund nicht dem positiven Lebensgefühl des holländischen Mimen entsprechen dürfte: "Das Leben ist vorbei, ohne dass man es gelebt hätte."

Heesters war Zugpferd eines ansonsten eher unauffälligen Ensembles TV-Serien-erprobter Schauspieler mit Johanna Liebeneiner in der Hauptrolle der Ranjewskaja, Katrin Hahner als deren Tochter Anja, Stefanie Haller als Pflegetochter Warja, Wolfgang Eysold als Gajew, Michael Boettge in der Rolle des Studenten Trofimov sowie Christian Hoening als Lopachin. Regisseur Stefan Zimmermann hatte den "Kirschgarten" neu übersetzt und sprachlich leicht modernisiert. Thomas Pekny schuf das naturalistische Bühnenbild zu einer klassischen, am Stil der Tschechow-Deutungen Peter Steins orientierten Inszenierung.

Am Ende wirkte Heesters, der im Jahr 2000 sein 80-Jähriges Bühnenjubiläum gefeiert hatte, sichtlich erschöpft, nahm die Huldigungen seines Publikums jedoch dankbar und ausdauernd entgegen. Fürsorglich bewacht wurde er von seiner 46 Jahre jüngeren Ehefrau Simone Rethel, die in der Rolle der Gouvernante Charlotta Iwanowna zu sehen war. Die aus Bayern stammende Schauspielerin, Malerin und Fotografin hat ihrem hoch betagten Gatten mit einem Fotoband über die "Schönheit des Alters" ein Denkmal gesetzt.

Georg Etscheit

Internet: www.der-kirschgarten.de
www.johannes-heesters.de http://www.johannes-heesters.de