Mit 16 Jahren spielt Iveta Apkalna vor Papst Johannes Paul II., als Titularorganistin bringt sie die Klais-Orgel in der Elbphilharmonie zum Klingen. Jetzt hat die Lettin ihr erstes Album eingespielt.
„Diese Orgel kann alles! Sie ist warm und rund, mit vielen schönen Grundtönen, die von überall und aus der Tiefe kommen. Dieser Klang umarmt die Leute“, schwärmte Iveta Apkalna nach der ersten Probe an der imposanten Klais-Orgel in der Elbphilharmonie. Mittlerweile hat die lettische Organistin eine enge Beziehung zu „ihrem“ Instrument aufgebaut – als Titularorganistin betreut sie die Orgel, entwickelt Programmideen und berät Gastorganisten zu den Besonderheiten des Instruments. Ende Januar verbrachte die 41-Jährige vier Nächte in der Elbphilharmonie, um die erste CD-Aufnahme einzuspielen – das Album „Light & Dark“ erscheint am 7. September beim Label Berlin Classics.
„Das war schon eine ganz besondere Erfahrung“, erzählt Apkalna im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Anstelle von Händel oder Bach hat sie ausschließlich Musik aus dem 20. Jahrhundert und der Gegenwart ausgewählt. „Die Elbphilharmonie ist für mich eine schwimmende Kathedrale, die in die Zukunft steuert“, sagt die Musikerin, die ein Faible für zeitgenössische Musik hat. Im Zentrum steht das titelgebende Werk „Hell und Dunkel“ der russischen Komponistin Sofia Gubaidulina, hinzu kommen Werke von Komponisten, die Apkalna geprägt und teilweise persönlich begleitet haben: Leos Janácek, Thierry Escaich, György Ligeti, Dmitri Schostakowitsch und zwei Werke ihrer Landsleute Aivars Kalejs und Lucija Garuta.
„Das Publikum wächst mit uns“, sagt Apkalna, die bereits 2005 als erste Organistin den Echo-Klassik in der Kategorie „Instrumentalistin des Jahres“ erhielt. Jetzt ist die zierliche Blondine mit dem ansteckenden Lachen Herrin über 4765 Pfeifen, die sich über fünf Publikumsränge perfekt in die einzigartige Architektur der Elbphilharmonie einreihen. Zu dem außergewöhnlichen Instrument aus dem Hause Johannes Klais Orgelbau passt Apkalnas Mission, die Orgel auch außerhalb des kirchlichen Kontextes weiter zu etablieren. „Bach bleibt trotzdem mein Lieblingskomponist und ich spiele Bach bei jedem Konzert – zumindest als Zugabe“, schmunzelt die Organistin, deren Spieltisch in der Elbphilharmonie mitten auf der Bühne steht.
Mit ihrer temperamentvollen Art und der eleganten Erscheinung – Auftritt in der Modezeitschrift „Vogue“ inklusive – passt Iveta Apkalna so gar nicht in das Klischee zurückhaltender Organisten.
Aufgewachsen noch zu Sowjetzeiten, konnte sich die Liebe zur Orgel erst langsam entwickeln. „Kirchenverbot und Atheismus überall, da gab es zunächst nicht so viele Berührungspunkte“, erzählt sie. Als sich jedoch die Grenzen öffneten, wurde Apkalna die erste Studentin für Orgel an ihrer Musikschule. Mittlerweile ist sie Kulturbotschafterin ihres Landes und wurde 2018 zur „Musikerin des Jahres“ gewählt.
„Ich trage mein Zuhause im Herzen“, sagt Apkalna, die mit ihrem deutschen Ehemann und ihren beiden Kindern seit 2006 in Berlin lebt. Ihr Ehemann Jens Schünemann, ein ausgezeichneter Tonmeister, war bei den nächtlichen Aufnahmen in der Elbphilharmonie dabei. „Da musste ausnahmsweise die Großmutter aus Lettland anreisen“, lacht die 41-Jährige. Ansonsten kümmert sich ihr Ehemann um den Sohn (10) und die Tochter (8), wenn Mama von Konzertsaal zu Konzertsaal jettet.
„Dann schicke ich meinem Sohn schnell ein Video von dem Hubschrauber, der gerade vor meinem Fenster in Los Angeles abhebt“, erzählt die begeisterte Musikerin. Für sie gehören Muttersein und Musikersein zusammen: “Ich kann weder ohne das eine noch das andere leben.“