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Bewegung, Chaos, Leben, Sex und Gefühl ? Der erste internationale Punk! Kongress tagt vom 22. bis zum 26. September in Kassel
Berlin/Kassel (ddp). Ein Taxi fährt durch die Straßen von Berlin. Die Kamera wackelt. Menschen steigen aus und ein. Monotonie, Langeweile und Oberflächlichkeit bestimmen das Bild. Und dann kommen die Punks. Und mit ihnen Bewegung, Chaos, Leben, Sex und Gefühl. Das sind Szenen des Films «3302» von Christoph Doering aus dem Kurzfilmprogramm «Alle Macht der Super-8», das auf dem ersten internationalen Punk! Kongress vom 22. bis zum 26. September in Kassel gezeigt wird.Zunächst scheint es, als stünden sich die Begriffe «Punk» und «Kongress» diametral gegenüber. «Punk» steht für Anarchie, Spontaneität und nicht zuletzt für Chaos. Beim Wort Kongress werden eher graue Wissenschaftler und Herren im Business-Dress assoziiert. Doch auf dem ersten internationalen Punk-Kongress sollen genau diese Widersprüchlichkeiten der Bewegung zusammengebracht werden.
«Denn Punk ist selbst ein Widerspruch in sich: zugleich totaler Nullpunkt und ekstatischer Aufbruch, Verneinung aller existierenden Formen und kreative Explosion», heißt es im Konzept der Veranstaltung, das am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. In den drei Tagen und vier Nächten treffen Punks der ersten Stunde auf den Nachwuchs, trifft Kunst auf Wissenschaft und Musik auf die Ohren.
Ende der 90er hätten sich einige Bücher und wissenschaftliche Arbeiten mit dem Phänomen Punk beschäftigt, sagt Mitorganisatorin Ricarda Egg. Doch die Betrachtungen griffen sich jeweils bestimmte Regionen oder Zeiten heraus. Die einen berichteten aus ihrer eigenen, persönlichen Perspektive, andere gingen mit einer ungeheuren Wissenschaftlichkeit an die Sache heran. «So entstand die Idee, Akteure aus allen Regionen zusammenzubringen und die Veranstaltung durch Konzerte zu erweitern», erklärt Egg.
Und so kommen in Kassel Musiker, Wissenschaftler, Fans und Künstler zusammen, um über das weltweite Phänomen Punkt zu diskutieren. Unterstützt wird der Kongress von der Kulturstiftung des Bundes mit gut 140 000 Euro. «In Punk geht so viel zusammen, was die Kulturgeschichte der vergangenen 30 Jahre bestimmt hat, dass es kein Problem war, die Jury von der Förderung des Veranstaltung zu überzeugen», sagt Friederike Tappe-Hornbostel von der Kulturstiftung.
Einen Schwerpunkt des Programms bilden die gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen zurzeit des Entstehens von Punk. Die Wurzeln liegen in den USA, obwohl er erst durch Malcolm McLarens PR-Geniestreich - der Erfindung der Sex Pistols - 1976 in Großbritannien weltweit bekannt wurde. Von dort aus trat die Bewegung ihren Siegeszug an. Doch in den verschiedenen Regionen entwickelte sich die Bewegung unterschiedlich: von der subversiven Kunstbewegung in Teilen des Ostblocks, politisch geprägten Hausbesetzer-Kämpfen in Westberlin oder Zürich bis hin zu militanten Abstinenzlerbewegung von «Staight Edge».
Auf dem Kongress, zu dem die Veranstalter 2000 Besucher erwarten, wird der Frage nachgegangen, was die unterschiedlichen Ansätze und Ausprägungen verbindet und wo die wesentlichen Unterschiede liegen. Ein weiterer Schwerpunkt wird auf der Bedeutung des Punk in der DDR und im früheren Jugoslawien liegen.
Jule Scherer