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Kasseler Stadtspitze für Abriss von documenta-Kunstwerk verantwortlich

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Die Treppe ist längst im Nichts verschwunden, doch noch immer sorgt sie für Streit in der «documenta»-Stadt Kassel. Der Abriss des umstrittenen Kunstwerks «Treppe ins Nichts» auf dem zentralen Königsplatz im August 2000 bringt nun die gesamte Stadtspitze vor den Kadi.

Kassel (ddp). Oberbürgermeister Georg Lewandowski (CDU), Bürgermeister und Ordnungsdezernent Ingo Groß (SPD) und Stadtbaurat Bernd Streitberger (CDU) sind der Veruntreuung von städtischem Vermögen angeklagt. Bei einer Verurteilung könnten sie schlimmstenfalls ins Gefängnis wandern.

Was war geschehen? Die drei Kommunalpolitiker hatten den Abriss der Treppe veranlasst, obwohl dem juristische Entscheidungen entgegenstanden. Vorausgegangen war ein jahrelanger Streit mit dem Hamburger Landschaftsplaner Gustav Lange, der die Treppe samt Platz 1992 als «Symbol für Demokratie» gestaltet hatte. Bei dem Streit ging es um die Frage, ob das bei vielen Kasselern unbeliebte und im Laufe der Zeit mehr und mehr verschmutzte große Holzbauwerk in der Stadtmitte gegen den Willen seines Urhebers entfernt werden durfte.
1992 hatte die Kasseler Stadtverordnetenversammlung mit SPD-Mehrheit den Beschluss zum Treppenbau gefasst, kurz darauf wurde das Bauwerk zum «documenta»-Kunstobjekt erklärt. Ein Jahr später drehte sich der politische Wind. Das nun CDU-dominierte Stadtparlament votierte für den Treppenabriss. Rathauschef Lewandowski stellte sich an die Spitze der Bewegung. Versuche, den Hamburger Konstrukteur Lange zur Zustimmung zum Abriss zu bewegen, blieben erfolglos.

Erst am 23. August 2000 gab ein Urteil des Landgerichts Kassel der Stadt grünes Licht. Als vier Tage später die Bagger anrollten, war das Urteil jedoch noch nicht rechtskräftig. Zudem stand eine einstweilige Verfügung aus dem Jahr 1994 dem Treppenabbau im Weg. Darin war der Abriss bei Androhung eines Ordnungsgeldes von 400.000 Mark untersagt worden.

Die Stadtverordnetenversammlung stellte sich trotzdem hinter das Abriss-Trio. Die große Koalition im Parlament genehmigte sogar das drohende Ordnungsgeld aus dem Stadtsäckel. Nur die Grünen verlangten, Lewandowski und Co. persönlich in Regress zu nehmen, wenn die Strafe gezahlt werden müsse. Mit diesem Antrag scheiterten sie aber ebenso wie mit dem Versuch, die drei Politiker ihrer Ämter zu entheben.

Weil sich die Stadt mit Lange schließlich außergerichtlich einigte, musste das Ordnungsgeld nie gezahlt werden. Aber, so argumentiert die Kasseler Staatsanwaltschaft, die drei Politiker hätten einen Vermögensschaden für die Stadt in Kauf genommen. Das sei Veruntreuung von Geldern. Sollten die Richter am Landgericht Kassel Lewandowski, Groß und Streitberger der schweren Untreue schuldig sprechen, droht ihnen eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Bei einem Strafmaß von mehr als einem Jahr würden die Politiker zudem ihrer Ämter enthoben. Bei einfacher Untreue erwartet sie mindestens eine Geldstrafe. Am 26. Februar soll das Urteil fallen. Vor Prozessbeginn wollten sich die Angeklagten nicht äußern. «Kein Kommentar» hieß es bei der Pressestelle der Stadt.

Heidi Hamdad