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Kinos bald nur noch mit digitaler Vorführtechnik

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Neue Technik mit Licht und Schatten +++ Kinobesitzer müssen sich auf die Digitalisierung einstellen +++ Filmförderungsanstalt will helfen


Berlin (ddp-bln). Manchmal wollen Kinobesucher im Union Filmtheater direkt unter dem Vorführfenster Platz nehmen. «Sie möchten das Rattern der Filmrolle hören», sagt Matthias Stütz, Geschäftsführer des kleinen Köpenicker Programmkinos, dessen Charme viele Berliner zu schätzen wissen. Dass soll auch weiter so bleiben. In einem Saal müssen Cineasten aber auf die nostalgischen Geräusche aus der Filmkammer wohl bald verzichten. Stütz denkt wie viele andere seiner Kollegen über die Umstellung auf digitale Vorführtechnik nach. Doch die Kosten treiben dem Mann Sorgenfalten auf die Stirn.

Kaum ein anderes Thema wird in Stütz\' Branche derzeit so heiß diskutiert wie die Digitaltechnik. Filme kommen dabei nicht mehr auf großen Rollen in die Kinos, sondern werden schlicht auf große Festplatten geladen. Spezielle Beamer werfen das Bild an die Leinwand - in verbesserter Qualität, wie Befürworter behaupten.

Stütz sieht wie viele Kritiker allerdings kaum einen Unterschied. Er verspricht sich eher eine schnellere Verfügbarkeit der Filme. Bislang gibt es nur wenige Blockbuster in digitaler Form. Branchenkenner vermuten aber, dass Filme irgendwann nur noch in digitaler Form verfügbar sein werden.

Stütz muss daher Schritt halten. Aber die Umrüstung würde ihn nach jetzigem Stand 80 000 Euro kosten. «Das ist Wahnsinn», klagt er. Es gebe zwar auch billige Beamer für 10 000 Euro, deren Bildqualität sei aber nicht gut genug. Stütz setzt darauf, dass die Preise für die guten Geräte fallen, und dass ihm die Filmförderungsanstalt (FFA) unter die Arme greift. Wenn diese 50 Prozent der Kosten übernähme, könne er in zwei oder drei Jahren vielleicht die Technik eines Saals digital umrüsten, rechnet Stütz vor.

Referentin für Filmtheaterförderung bei der FFA ist Gisela Kolarczyk. Sie sagt: «Die kleinen Kinos dürfen bei der Digitalisierung nicht auf der Strecke bleiben.» Allerdings fehlt noch ein Finanzierungskonzept. Für die flächendeckende Einführung der neuen Technik habe die FFA derzeit nicht das Geld, räumt Kolarczyk ein. Sie erwartet, dass der Bund sich stärker beteiligt. Mit dem neuen Filmförderungsgesetz, das im Januar 2009 in Kraft treten soll, müsse dies geregelt werden. Momentan gibt es laut FFA in Berlin 290 Leinwände in 100 Kinos. 88 davon zählen zur Kategorie der Programmkinos, zwölf sind Multiplex-Kinos.

Große Kinoketten wie Cinemaxx können freilich nicht mit Fördergeldern rechnen. Das Unternehmen müsste nach eigenen Angaben für den Umbau seiner beiden Berliner Kinokomplexe mit zusammen 28 Leinwänden etwa 1,2 Millionen Euro aufbringen. «Eine enorme Investition», sagt Sprecher Arne Schmidt. Doch das Unternehmen zögert noch, wie die meisten Kinogiganten. Sie erwarten eine Beteiligung an der Umrüstung durch die Filmverleiher. Schließlich profitierten diese am meisten von der Digitalisierung, weil sie sich dadurch künftig die teuere Kopie einer traditionellen Filmrolle sparen, sagt Schmidt. Die Verhandlungen sollen im laufenden Jahr abgeschlossen werden.

«Digitale Technik ist die Zukunft, auch 3D-Filme sind damit möglich», sagt Schmidt. Doch er wie auch Matthias Stütz geben zu verstehen, dass es nicht die Kinobesitzer sind, die große Erwartungen an die Digitalisierung knüpfen. Stütz verweist neben den Verleihern auch auf Filmproduzenten, die durch das neue Format einen wesentlich leichteren Zugang zum Markt bekommen könnten. Dies werde wohl dazu führen, dass jährlich nicht mehr 400, sondern womöglich dreimal so viele Filme herauskommen. Bei den Zuschauern könnte das aber für Verwirrung sorgen, warnt Stütz. Und er fügt hinzu: «Der Normalbürger kommt doch jetzt schon nicht mehr mit.»


Till Erdtracht