Berlin/München (dpa) - Führende Intendanten und Dirigenten in Deutschland warnen angesichts des Dauer-Lockdowns vor drastischen Folgen für die Kultur und verstärken die Forderungen nach einer baldigen Öffnung ihrer Häuser. In Berlin wandten sich die Chefinnen und Chefs zahlreicher Theater, Opern- und Konzerthäuser am Freitag mit einem gemeinsamen Appell an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Auch in München drangen die Intendanten der Staatstheater auf Öffnungen.
«Schon jetzt haben viele Künstlerinnen und Künstler ihre Existenzgrundlage eingebüßt», sagte Kirill Petrenko, Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, der dpa in Berlin. «Je länger der aktuelle Zustand anhält, desto mehr ist eine dauerhafte Schwächung unseres kulturellen Lebens zu befürchten.» Nikolaus Bachler, Intendant der Bayerischen Staatsoper, sagte in München: «Nach einem Jahr mehr oder minder Lockdown bin ich der Überzeugung, dass wir uns mit Riesenschritten auf eine kulturelle Klimakatastrophe zubewegen. Wenn wir da nicht bald Änderungen bekommen, werden da Wüsteneien und Ödnisse entstehen, von denen wir uns jahrelang nicht erholen werden.»
Petrenko unterstrich, es sei ihm ein großes Anliegen, dass die Wiedereröffnung von Kultureinrichtungen eine hohe Priorität erhalte. «Während wir als Berliner Philharmoniker immerhin im digitalen Raum weiterspielen können, gibt es für die meisten anderen Kulturschaffenden seit vielen Monaten keine Möglichkeit, mit dem Publikum in Kontakt zu treten», sagte er.
In dem Schreiben an Merkel und die Berliner Senatsspitze weisen die Kulturschaffenden auf das nächste Treffen von Bund und Ländern am 3. März hin. «Wir fordern, die von uns geleiteten Institutionen zum nächstmöglichen Zeitpunkt, auf jeden Fall aber in Gleichklang mit dem Einzelhandel zu öffnen», heißt es. Nach einem Konzept der Kulturministerinnen und -minister der Länder wären Theater und Konzerthäuser erst eine Stufe später gemeinsam mit Gaststätten vorgesehen. Verwiesen wird auf Untersuchungen, die zeigten, dass die «Hygienekonzepte der Kultureinrichtungen die geringsten Infektionsrisiken im öffentlichen Raum garantieren».
Neben Petrenko unterzeichneten die Dirigenten Daniel Barenboim, Christoph Eschenbach, Vladimir Jurowski , Ainars Rubikis, Sir Donald Runnicles und Robin Ticciati. Zu den Intendanten zählen Klaus Dörr (Volksbühne), Ulrich Khuon (Deutsches Theater), Barrie Kosky (Komische Oper), Shermin Langhoff (Maxim Gorki Theater), Oliver Reese (Berliner Ensemble), Matthias Schulz (Staatsoper Unter den Linden) und Dietmar Schwarz (Deutsche Oper).
Die Intendanten der Staatstheater in München dringen auf Öffnungen von Theatern, Konzert- und Opernhäusern spätestens zum 1. April. Der Chef des Residenztheaters, Andreas Beck, sagte: «Wir müssen mit diesem Virus lernen zu leben.» Derzeit richte sich jede Politik auf den Tag X aus: «Mit Zauberhand ist das Virus weg und wir stürmen dann wieder die kulturellen Institutionen.» Diesen Tag werde es aber nicht geben. Momentan werde die Kultur Opfer einer Symbolpolitik. Josef E. Köpplinger, Intendant des Staatstheaters am Gärtnerplatz, verwies auf die guten Hygienekonzepte. Zudem seien Kulturangebote für die seelische Gesundheit wichtig. Psychischer Druck könne krank machen, Kunst und Kultur seien für viele Menschen ein wichtiges Ventil.