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Ochesterreform in Rheinland-Pfalz

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«Schallende Ohrfeige» - Orchestervereinigung verlangt Rücknahme der Orchesterreform - DOV sieht funktionierende Strukturen gefährdet

Mainz (ddp-swe). Die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) hat Kulturminister Jürgen Zöllner (SPD) zur Rücknahme seiner Pläne zur Orchesterreform aufgefordert. «Das Ministerium wäre gut beraten, sein Reformpapier schnell zurückzuziehen, um Schaden von der Kulturlandschaft abzuwenden», sagte DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens am Dienstag in Mainz. Der vom Minister eingeschlagene Weg gefährde «ohne Not» die Orchesterarbeit und drohe, «traditionelle, funktionierende Strukturen unwiederbringlich» zu zerstören. Rheinland-Pfalz könne ein Großorchester nicht brauchen, fügte Mertens hinzu.

Nach Zöllners Plänen sollen das Philharmonische Orchester des Mainzer Staatstheaters mit der Ludwigshafener Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz zusammengeschlossen werden. Mit der für Mitte 2005 geplanten Verschmelzung zur «Neuen Staatsphilharmonie» soll eines der größten Orchester in Deutschland entstehen. Um Einsparungen im Landeshaushalt zu erzielen, sollen gleichzeitig 40 Musikerstellen wegfallen. Im Koblenzer Staatsorchester Rheinische Philharmonie will der Minister außerdem rund 20 Stellen abbauen.

Mertens kritisierte, durch die Schaffung eines Großorchesters werde kein Geld gespart. Vielmehr seien Zusatzkosten in Höhe von rund 3,75 Millionen Euro zu erwarten, weil für einen internationalen Anspruch Dirigenten und Solisten mit großen Namen verpflichtet werden müssten. Eine Fusion der beiden Ensembles in Mainz und Ludwigshafen werde außerdem an organisatorischen Hürden scheitern, wie es bereits bei anderen Zusammenschlüssen dieser Art geschehen sei, warnte der Verbandsvertreter. Auch die anderen deutschen Spitzenorchestern seien alle an einem Ort beheimatet.

Mertens warf Zöllner außerdem schlechten Stil beim Vorlegen seines Reformkonzepts vor. Statt mit den Orchestermitgliedern und der DOV zu reden, gehe der Minister mit einer «Schrotladung auf die gesamte Orchesterlandschaft los». Die beteiligten Experten aus der Orchesterlandschaft hätten zudem nur Strukturvorschläge und Ideen unterbreiten, nicht aber deren praktische Durchführbarkeit und Finanzierbarkeit prüfen sollen.

Ricarda Bauer von der Rheinischen Philharmonie Koblenz nannte die Verkleinerungspläne für ihr Ensemble «aberwitzig» und einen «herben Rückschritt» für die Koblenzer. «40 Prozent der Bevölkerung in diesem Land zählen uns zu ihrer kulturellen Identität», unterstrich Bauer die Bedeutung des Orchesters. Die «Verschlankung» werde den «schleichenden Niedergang» des Ensembles bedeuten.

Christian Petrenz vom Mainzer Orchester bezweifelte Zöllners Darstellung, dass sich durch die Fusion die Zahlungsschwäche für das Staatstheater lösen lassen werde. Das Einsparvolumen für die Stadt Mainz werde gerade einmal 110 000 Euro pro Jahr betragen, rechnete er vor. Damit werde das Finanzproblem «nicht einmal kurzfristig» gelöst. Das Mainzer Staatstheater will am Mittwoch rund 28 000 Solidaritätsunterschriften für das Orchester an die Stadt übergeben.

Gisela Kirschstein