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60 Jahre zwischen Liebe und Zorn - Ostrocker geben sich die Ehre zum Geburtstagskonzert für Musiker-Legende Klaus Renft
Löhma (ddp). Wenn in Löhma einer Geburtstag hat, dann kommt das halbe Dorf zum Gratulieren. Das gilt für Alteingesessene genauso wie für Zugezogene, weiß Andreas Schirneck aus dem kleinen Thüringer Dorf zu berichten. Und wenn einer 60 wird, dann gibt es natürlich eine etwas größere Feier als normal. Heißt das Geburtstagskind Klaus Renft, dann ist überhaupt nichts normal - und die Geburtstagsfeier wird zu einem Konzert, bei dem vier Bands und Solisten aufspielen, deren Namen manchen Ostrock-Fan in Verzücken bringen.Nicht nur «The Butlers», Thomas Schoppe, besser bekannt als «Monster», Jochen Hohl und Christiane Ufholz werden dabei am Samstag in der tiefsten Thüringer Provinz singen und spielen, auch das Geburtstagskind selbst wird zur Gitarre greifen. Klaus Renft, ostdeutsche Rocklegende, wird mit alten und neuen Weggefährten auf der Bühne stehen und in seinen eigentlichen Geburtstag am Sonntag hineinspielen und feiern. Es könnten schon an die 1000 Gäste werden, die das Spektakel miterleben, sagt Mario Streit vom Kunstverein Löhma, der das Konzert veranstaltet. «Wenn alle kommen, die sich bisher aus München, Hamburg, Berlin, Leipzig, Mönchengladbach oder sonst woher gemeldet haben, dann wird\'s wohl voll», meint auch Renft.
Ein so großes Konzert sei schon der richtige Rahmen für diesen Anlass, «denn ich habe ja mein ganzes Leben lang Musik gemacht», sagt er. Schon mit 16 hat Klaus Jentzsch in Leipzig seine erste Band gegründet, sich den Geburtsnamen der Mutter als Künstlernamen angenommen und mit der «Klaus Renft Combo» Musik gemacht. Vier Jahre lang, dann verbot der Rat der Stadt die Gruppe. Zwei Jahre später formierte Renft die «Butlers», die wie viele andere Rockgruppen in der DDR 1965 nach den Leipziger «Beatkrawallen» verboten wurden. Ende der 60er fanden Renft und Peter «Cäsar» Gläser den Gitarristen und Sänger Thomas «Monster» Schoppe und den Drummer Jochen Hohl und holten Peter «Pjotr» Kschentz sowie Keyboarder Christian Kunert «Kuno» auf die Bühne.
1971 wurde «Wer die Rose ehrt» nach einem Demmler-Text der erste große Hit der Gruppe. Seit Renft mit dem Texter Gerulf Pannach zusammenarbeitete, folgten viele andere, die in den DDR-Hitparaden wochenlang an der Spitze standen: «Apfeltraum», «Zwischen Liebe und Zorn», «Wandersmann» und «Cäsar\'s Blues» waren nur einige. 1973 und 1974 kamen bei Amiga zwei Langspielplatten heraus - mit schönen, traurigen Balladen und frechen, aufmüpfigen Liedern, die das Lebensgefühl der DDR-Jugend treffend beschrieben. Ein Jahr später wurde die «Klaus Renft Combo» verboten.
Die Gruppe sei in zwei Lager gespalten gewesen, «Cäsar und Jochen wollten mit den Liedern bis an die Grenze gehen, sie aber nicht überschreiten, Gerulf, Kuno und Monster wollten das durchziehen und alles aussprechen», erinnert sich Renft. Dieses Problem sei sicher zu lösen gewesen, meint er im Rückblick. Unlösbar war für ihn jedoch, was Staat und Stasi dann von ihm verlangten: sich für Reisepässe, Auslandsauftritte und materielle Vorteile von den kritischsten Mitglieder der Gruppe zu trennen. «Das wäre Verrat gewesen, und ich hätte nie wieder in den Spiegel schauen können», sagt Renft. Und so habe er das Kaufangebot ausgeschlagen, wohl wissend, dass damit das Verbot der Gruppe besiegelt wurde. 1976 wurde Renft vor die Alternative gestellt, auszureisen oder in den Knast zu gehen. Nach Verhaftung und Abschiebung folgten ihm Pannach und Kunert, Biermann, Krug und Wegner wurden ebenfalls vertrieben.
Im Westberliner «Exil» war Renft Redakteur beim RIAS und später Tonmeister im Renaissancetheater. Der Versuch, mit Ufholz und Biebl eine Band zu gründen, scheiterte. «Die Stasi kaufte die Karten auf und machte das erste Konzert kaputt», sagt Renft. Er hätte sich «nie träumen lassen», dass die Macht der Stasi ihn bis nach Westberlin verfolgte, gesteht er. Und ist heute noch verwundert darüber, dass auf seine eher schüchterne Anfrage bei der Gauck-Behörde hin, «ob denn über mich überhaupt etwas da ist», die Mitarbeiterin ihn bat, «mal tragen zu helfen».
Genauso überrascht habe ihn nach seiner Rückkehr in den Osten die Popularität, die Renft-Songs bis dahin beim Publikum genossen. «Ich war 17 Jahre weg und wusste überhaupt nicht, dass Renft inzwischen eine Legende geworden war», gibt der heute graubärtige Vollblutmusiker zu. Natürlich freut es ihn, dass die damaligen Fans heute ihre Kinder mit zum Konzert bringen, dass etwa 8000 CDs jährlich mit den alten Liedern und auch von der 1999 heraus gebrachten Scheibe «Als ob nichts gewesen wär» verkauft werden. Meist nur von Dienstag bis Donnerstag ist Renft im alten Pfarrhaus von Löhma, das er sich seit knapp einem Jahr zum Wohnhaus ausgebaut hat, anzutreffen. Mit seinen neuen und alten Musikerkollegen und manchmal auch in der Urbesetzung steht er ansonsten «an jedem Wochenende» irgendwo zwischen der Insel Poel und dem Erzgebirge auf der Bühne. Dabei werden auch die neuen Lieder gespielt, die auf die nächste CD kommen sollen. Der Titel steht schon fest, denn auch Rocklegenden wollen, können oder müssen heute «Cool sein».
(www.renftcombo.de)