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Rostock (ddp-nrd). Der Chef des Rostocker Volkstheaters Steffen Piontek hat seit Donnerstag Hausverbot. Das sei Bestandteil einer am selben Tag zugegangenen fristlosen Kündigung, der aber noch das Hauptamt der Stadt zustimmen müsse, sagte ein Sprecher der Stadtverwaltung.
Diese Entscheidung falle voraussichtlich erst am 26. August. Eine Klage von Piontek gilt als wahrscheinlich. Der Theatermann hatte im Vorfeld bereits einer Vertragsaufhebung zugestimmt, die auch eine Abfindung enthalten hätte.Hintergrund des Streits sind Vertragsverlängerungen mit Theatermitarbeitern, die Piontek kurz vor der Zustimmung zur eigenen Vertragsaufhebung unterschrieben hatte. Medienberichten zufolge hatte er so auch den Arbeitsvertrag mit seiner am Theater beschäftigten Frau (nmz: Musiktheaterdramaturgin des Hauses) verlängern wollen. Die Verträge blieben aber ungültig, da der Verwaltungsdirektor seine Unterschrift verweigert hatte. Piontek sieht deshalb keinen Schaden für Stadt oder Theater.
Piontek ist seit 2002 Intendant des Rostocker Volkstheaters. Drei Jahre später wurde sein Vertrag bis 2012 verlängert. Unter seiner Leitung hatten sich die Besucherzahlen erhöht und war ein Sommertheater gestartet worden. Verringerte Zuschüsse durch die Stadt sowie Pläne von Spartenstreichungen sorgten aber immer wieder für Diskussionsstoff zwischen Theaterchef und Oberbürgermeister.
Als Kandidat für die künstlerische Nachfolge Pionteks steht der frühere Generalmusikdirektor Peter Leonard fest. Geschäftsführer der neuen Theater GmbH soll Kay-Uwe Nissen von der CDU werden. Mit der neuen Geschäftsform wäre auch eine Kooperation mit dem Mecklenburgischen Staatstheaters erleichtert.
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(nmz, bl) - Das sind nicht die einzigen Querelen, mit denen sich das Rostocker Theater zur Zeit herumzuschlagen hat. Ein Geschäftsführer aus den Reihen der Bürgerschaft käme den Plänen der Stadt, die die Musiksparte und das Ballett am liebsten in der Ostsee versenken würde, gerade recht. Wie die Deutsche Orchestervereinigung Anfang Juli veröffentlichte, gibt es ganz konkrete Pläne dazu:
DOV: Rumpftheater und Schrumpforchester für die Hansestadt Rostock ?
Der Rostocker Oberbürgermeister Roland Methling ist offenbar festen Willens, seiner stolzen Hanse- und Kulturstadt den wohl vorletzten Schritt zum endgültigen Theaterende zu verordnen: Weg mit der Oper, weg mit dem Ballett, weg mit einem Großteil der Musiker der Norddeutschen Philharmonie. Und was dann? – Wem kann in einer so traditionsreichen, so kulturbewussten Stadt so etwas einfallen?
In einer Zeit, in der in den Bundesländern der früheren Bundesrepublik der hohen gesellschaftlichen, kulturellen wie sozialen Bedeutung von Kultur, von Musik und Theater aus gutem Grund wieder in wachsendem Maße Rechnung getragen wird, kommt aus den östlichen Bundesländern die nächste Hiobsmeldung.
Nachdem der Begriff der „Brandenburgisierung“ für einen radikalen Kulturabbau in den Sprachgebrauch Eingang gefunden hat, nach dem unsäglichen und nur durch massiven Protest der Thüringer gescheiterten Kulturabbau-Versuch im Freistaat Thüringen, gleichzeitig zu massiven Kulturkürzungsplänen in Sachsen-Anhalt, nun also wieder einmal Mecklenburg-Vorpommern und wieder einmal Rostock.
Die Rostocker, die seit eh und je zu ihrem Theater standen, es nach verheerendem Brand wieder aufbauten, nach dem Krieg andere geeigneten Theaterstätten und -formen suchen mussten, hielten auch nach der Wende an ihrem überaus erfolgreichen Theater fest. Dessen Mitarbeiter begegneten den ständigen Kürzungen ihres Etats immer wieder mit Kreativität, Einsatzbereitschaft – und häufig genug auch mit Selbstausbeutung zu Gunsten ihres dankbaren Publikums. Das Volkstheater Rostock arbeitet heute nur noch mit halb so vielen Beschäftigten wie im Jahre 1989.
Und die verantwortlichen Politiker und Parteien? Werden diese Leistungen von ihnen auch erkannt und anerkannt? Eine Wahl zwischen einem „ganzen Theater halb oder einem halben Theater ganz“ (Ernst Schumacher) kann nur eine Wahl zwischen Pest und Cholera sein. Noch ist im Land Mecklenburg-Vorpommern die Diskussion um eine zukünftige „Theater- und Orchesterstruktur“ des Landes „nicht abgeschlossen“ (Minister Henry Tesch).
Das Rostocker Bürgeroberhaupt aber hat bei seinen offensichtlich sachfremden und kurzatmigen Rechnungen deren Langzeitkonsequenzen für seine Stadt und seine Bürger wohl kaum einkalkuliert, auf die Bundeskanzlerin Angela Merkel völlig zu recht hinweist: „Wer den Bereich von Kunst und Kultur für ein besonders naheliegendes Feld der Haushaltskonsolidierung hält, berührt nicht nur das kulturelle, sondern auch das empfindliche soziale Gewebe einer Stadt.“
Erst vor einigen Wochen legte Dresden eine wissenschaftliche Untersuchung vor, wie sich kulturelle Ausgaben tatsächlich auch „rechnen“ können. – Das sollte doch Rostocker Verantwortlichen eine Erkundungsreise nach Sachsen wert sein.
V.i.S.d.P:
Dr. Claus Strulick
Stellv. Geschäftsführer