Was kann man schenken? Diese Frage wird umso drängender, je näher Weihnachten rückt. Man kann selbstverständlich in Schallplattengeschäfte gehen. Doch in den großen Handelsketten ist das Angebot beschränkt auf den kommerziellen Mainstream, was übrigens genauso gilt für Klassik wie für Jazz oder Rock. Die gut sortierten, Wünsche von Kunden mit dem besonderen Geschmack erfüllenden individuellen Schallplattenläden kann man in Deutschland mittlerweile an einer Hand abzählen. Doch es gibt sie noch, die besonderen Programme, die Hörentdeckungen, die spannenden Interpreten, die sich nicht so sehr um Massenkompatibilität, sondern um das Hineinhorchen in die Werke kümmern, und die mutigen Produzenten, die nicht nur auf den ökonomischen Erfolg achten. Unter den Mitgliedern des Deutschen Tonkünstlerverbandes gibt es zahlreiche außergewöhnlich Solisten, Ensembles, Komponisten, die Neues und Eigenes zu sagen haben. Auf Empfehlung der Vorsitzenden der Landesverbände wird eine kleine Auswahl ihrer Produktion vorgestellt. Wer besondere Weihnachtsgeschenke für Musikfans sucht, ist hier richtig.
Schneegeflüster
Eine besondere Weihnachts-CD
Das Dresdner Duo CELLcanto pflegt eine außergewöhnliche Besetzung: Stimme und Violoncello. Nora Conrad singt nicht nur Klassik, sondern auch Jazz, Pop und Folk. Beate Hofmann tritt mit dem Violoncello hinzu. Auch sie hat Crossover Erfahrung. Bei ihren Konzerten bewegen sich die beiden Musikerinnen virtuos zwischen verschiedensten Stilen. In „Schneegeflüster“ erklingen bekannte und selten gehörte Weihnachtslieder. Auf wundersame Weise fügen sich die berührende Stimme und die erdige Kraft des Cellos zu einer Musik, die schlicht und ergreifend ist, und einen direkten Weg vom Ohr zum Herzen findet.
• „Schneegeflüster“, Advents- und Weihnachtslieder, CELLcanto, Nora Conrad, Beate Hofmann, erhältlich über beate.hofmann [at] gmx.de (beate[dot]hofmann[at]gmx[dot]de),
www.cellcanto.de
Neue Porträt-CD
Gabriel Iranyi: „Hauptwege und Nebenwege“
Die in den Jahren 2000 bis 2010 entstandenen Kammermusikwerke von Gabriel Iranyi demonstrieren die Fortschreitung seiner Stilausprägung von der formalen Konstruktion hin zur freien Klangentwicklung. Wir hören Reflexionen über musikalische Strukturen und Gesten, Auslotung der dynamischen Spannungsbereiche sowie instrumentalspezifische Klangraumerforschungen. Allein die Auswahl der Ensembles, von der klassischen Triobesetzung zu den „espressioni“ mit Violine, Klarinette/ Bassklarinette und Akkordeon mit eruptiven Klangerlebnissen macht diese Entwicklung deutlich. In „Anamorphosen“ (2009) für Flöte/Bassflöte und Klavier werden sowohl dynamische als auch spieltechnische Extreme ausgelotet, jedoch nie ohne Bezug zu einer nachvollziehbaren Grundkonzeption.
• Gabriel Iranyi: „Hauptweg und Nebenwege“; Theodoe Flindell, Biliana Voutchkowa (Violine); Alexander Fleischer, Eva Schieferstein, Björn Lehmann (Klavier), Matthias Badczong (Klarinette), Elisabeth Weinzierl (Flöte), Agnieszka Dziubak (Violoncello), Christine Paté (Akkordeon).
„Espressioni“ für Violine, Klarinette / Bassklarinette, Akkordeon; „Zwei Celan-Lieder“ für Sopran, Violoncello und Klavier; „Innenzeit III“ für Violine und Klavier; „Anamorphosen“ für Flöte/Bassflöte und Klavier; „Hauptweg und Nebenwege“ für Klaviertrio.
Theatralisches Musizieren
CD mit Werken von Walter Thomas Heyn
Walter Thomas Heyn, geboren 1953 in Görlitz, Meisterschüler an der Akademie der Künste zu Berlin bei Siegfried Matthus, beschäftigt sich seit zwanzig Jahren mit Formen quasi theatralischen Musizierens. So bewusst wie kaum ein anderer deutscher Komponist zeitgenössischer Schule hat Heyn dabei nach Spielraum gesucht, um erstarrte Normative der Neuen Musik aufzubrechen, sie zu verlassen und sie - im passrechten Rückgriff auf Traditionen und Spuren – mit Momenten von Populär-Kunst zu verschmelzen …
Frank Kämpfer (Deutschlandfunk)
Der Ochse auf dem Dach und andere Verbote
Das Klavierduo Friederike Haufe und Volker Ahmels, das sich mit dem Thema Verfemte Musik international einen Namen gemacht hat, stellt mit seiner ersten Einspielung für Gramola ein ebenso außergewöhnliches wie wegweisendes Programm vor: Selten gehörte Werke für Klavier zu vier Händen von Komponisten des 20. Jahrhunderts, wie Schönberg und Milhaud, aber auch Leo Smit, Ernst Toch, Hans Gál und Erwin Schulhoff stellen eine eindrucksvolle Bereicherung des traditionellen Repertoires für diese Besetzung dar.
• Der Ochse auf dem Dach und andere Verbote; Friederike Haufe/Volker Ahmels (Klavier); Werke von Milhaud, Schönberg, Gal und Schulhoff

GRAMOLA
Für kleine und große Ohren
Das duo pianoworte erzählt in Wort und Musik Grimms Märchen
Zum Ausklang des Jubiläumsjahres der Brüder Grimm präsentiert das mit dem ECHO KLASSIK ausgezeichnete duo pianoworte eine bunte Auswahl von Grimmschen Märchen, die von Gerhard Gemke, Andreas N. Tarkmann und Violeta Dinescu vertont wurden – vom klanglichen Spektakel im Klavierinnenraum bis hin zur aktiven Beteiligung von Kindern mit Sprechchören, vokalen Klangflächen und Schlagwerk-Improvisationen. Für alle ab 8 Jahren ein spannendes Hörerlebnis voller Poesie und Überraschungen.
• Grimms Märchen erzählt in Wort und Musik für kleine und große Ohren: duo pianoworte (Bernd-Christian Schulze, Klavier – Helmut Thiele, Erzähler); Das tapfere Schneiderlein, Frau Holle, Die Sterntaler, Der Bauer und der Teufel u.a.
CD-Audio, DigiPak, 16-seitiges Booklet (deutsch)
EDITION KINDERKLASSIK | VÖ: 06/2013 | KAL 6323-2
Neu aus dem DTKV-Manuskriptarchiv
Ende 2012 ist die aktuelle Doppel-CD mit Werken aus dem Manuskriptarchiv des DTKV erschienen. Es handelt sich dabei um Konzertmitschnitte aus der Siegburger Musikwerkstatt. Nicht nur die ausführenden Künstler kommen aus dem gesamten Bundesgebiet – auch neue Kompositionen entstanden eigens für das Manuskriptarchiv zur Aufführung in den Siegburger Konzerten, und auch die Komponisten kamen aus allen Teilen Deutschlands. Aus den zwei Konzerten, die im April und Oktober 2011 stattfanden und live mitgeschnitten wurden, wurde eine reichhaltige und repräsentative Auswahl getroffen und auf die neue Doppel-CD gebracht.
• Werke aus dem Manuskriptarchiv des DTKV (2012)
Bettina Weber (Sopran), Carolin Katzenburg, Dirk Peppel, Jost Nickel (Flöte), Klementina Pleterski, Mona Kern-Schürmann (Violine), Regina Krull (Viola), Ursula Keusen-Nickel (Violoncello), Katrin Brandl (Hackbrett), Ute Pukropski (Akkordeon), Birgit Polter, Josef Anton Scherrer, Gotthard Kladetzky und Johannes Leung (Klavier).
Werke von Jost Nickel, Christoph J. Keller, Waldram Hollfelder, Richard Heller, Rolf Kuhnert, Ursula Görsch, Ursula Keusen-Nickel, Erich Hirzel, Richard Mader, Dieter Goebel-Berggold.
Doppel-CD, 10,00 e, erhältlich bei: Musikschule Siegburg, Tel. 02241/939737 oder musikschule [at] siegburg.de (musikschule[at]siegburg[dot]de) .
Sensible Hörabenteuer
Das Münchner Flötentrio spielt von ihm angeregte Werke
Sie sind neugierig auf Nuancen, Klangfarben, eine sprechende Artikulation, ganz gleich, ob sie Musik von Mozart oder von Peter Kiesewetter spielen. Der Hörer kann hier seine Vorurteile gegen Neue Musik vergessen. Wer diese CD in Ruhe und konzentriert anhört, entdeckt die Ausdrucksvielfalt und den Nuancenreichtum einer Neuer Musik, die mit ihren Klängen, Rhythmen und Melodien in Tiefen geht, die bisher ungehört blieben. In den Kompositionen Peter Kiesewetters, Roland Leistner-Mayers, Dieter Ackers, Nikolaus Brass’, Lukáš Matoušeks und Robert Delanoffs, die alle für das Münchner Flötentrio Stücke schrieben, begegnen dem Hörer sehr individuelle Künstlerpersönlichkeiten, deren Eigenart von den Interpreten mit großer Sensibilität heraus gearbeitet wird.
• Münchner Flötentrio (Elisabeth Weinzierl, Edmund Wächter, Eva Schieferstein); Peter Kiesewetter: „Scena d’irritazione“; Roland Leistner-Mayer: „6 Moments musicaux“ op. 42; Dieter Acker: „Zwischen Tag und Traum“; Nicolaus Brass: „Salut“; Lukás Matousek: „Mozaika“; Robert Delanoff: „Harlekinade“. Cavalli-Records (CCD 267)
Streifzug durch die Musikgeschichte
Klavierzyklus von Peter Michael Braun
Auf dem Cover die Kaligraphie von Notenautographen und -drucken aus Mittelalter, Renaissance, Klassik und Moderne veröffentlichte der Komponist Peter Michael Braun den Klavierzyklus „Reise in der Zeit“, in dem er im Epilog auf ein altgriechisches Fragment zurückgreift und der durch zweieinhalb Jahrtausende Musikgeschichte führt: vom Mittelalter in der „Hommage à Machaut“, zur Zeitwende um 1600 mit dem „Trionfo di Monteverdi“, zu Beethoven und zur Jahrtausendwende im Jahr 2000. Er komponiert in diesem Werk eine tiefgreifende musikalische Reflexion, die Gegenwart und Vergangenheit miteinander verbindet.
• Peter Michael Braun: Reise in der Zeit; Andreas Sorg (Klavier)
Cavalli Records CCD 118
„Fanny und Felix“
Trio Vivente spielt die Klaviertrios der Geschwister Mendelssohn
Das Trio Vivente musiziert zwei große Klaviertrios der Geschwister Mendelssohn, in den Kopfsätzen virtuos und mit mitreißendem Schwung, in den langsamen Sätzen poetisch und ausdruckstief, aber ohne jede Sentimentalität. Das präzise und harmonische Zusammenspiel und die differenzierte Klanggestaltung zwischen kammermusikalischer Delikatesse und fast schon orchestral empfundener Weite sind ein fesselnder Hörgenuss.
Reinhard Ardelt
• „Fanny und Felix“; Trio Vivente: Jutta Ernst, Klavier; Anne Katharina Schreiber, Violine; Kristin von der Goltz, Violoncello; Fanny Hensel: Klaviertrio op. 11 d-moll, Felix Mendelssohn Bartholdy: Klaviertrio op. 66 c-moll; edition raumklang
Visionär: Ordo Virtutum von Hildegard von Bingen
Unsere Fassung dieses ersten geschlos-senen Zyklus’ der Musikgeschichte ist „selbst komponiert“. In einem über zehn Jahre dauernden Prozess haben wir alle Möglichkeiten des stimmlichen Ausdrucks in die Komposition einfließen lassen, so dass eine Verbindung von Hildegard zur zeitgenössischen Musik hörbar ist, das Werk aber doch radikal neu und nicht den Hörgewohnheiten entsprechend klingt. Vom bordunbegleiteten Schöngesang über Fünftoncluster, die wie ein fünfköpfiges Ungeheuer klingen; über die Seele, die in Dreiklängen fleht und leidet; bis zur tiefen Contraaltlage, in der Frauen wie Männerstimmen klingen, haben wir vielfältigste Klangfarben eingesetzt. Das alles dient der Theatralik und auch der musikalischen Hinterfragung und Brechung der auftretenden Charaktere. Das Stück ist auf 80 Minuten konzentriert worden und enthält doch den originalen Notentext.
Dietburg Spohr
• Hildegard von Bingen: Ordo Virtutum Ensemble Belcanto, Dietburg Spohr; ECM New Series
Puristisch und erhellend
Stenzl-Brüder spielen Brahms’ „Deutsches Requiem“
„Ein deutsches Requiem“ ohne Solisten, Chor und Orchester, reduziert auf Klavier zu vier Händen? Man kann und mag es sich kaum vorstellen! Doch wer sich auf das Abenteuer aus Brahms’ eigener Feder einlässt, wird belohnt: mit einem überraschend überzeugenden Konzentrat. Hans-Peter und Volker Stenzl, die zu den weltweit führenden Klavierduos zählen, haben es eingespielt, auf bewährt hohem Niveau. Die Texte werden separat von Stefan Fleming gelesen. Ein neuer Blick auf ein altbekanntes Werk, puristisch und erhellend.