Es sind Beträge, die unsere Vorstellungskraft weit überschreiten. George W. Bush tut aber so, als könne er fast beliebig darüber verfügen. Ein, zwei, drei Nullen mehr oder weniger, was spielt das schon für eine Rolle? Notfalls kann man ja nachdrucken. Und dann sind die Banken gerettet und das ganze kapitalistische Wunderwerk ist wieder gut. Und wenn es an der Zeit ist, kann man dann auch wieder Kriege zur Durchsetzung der kapitalistischen Interessen führen. (Vorabdruck aus nmz 10-08)
Ist es eigentlich naiv zu fragen, wohin diese ungeheuren Geldmassen denn überhaupt gehen? Es muss doch einen Empfänger geben, denn dass sie einfach an die verschuldeten (bei wem?) Banken gehen und dort ein großes Minus einfach wieder schwarz (oder zumindest dunkelrot) färben, wonach sie sich in Luft auflösen, ist kaum anzunehmen. Dass die jetzige Finanzkrise ursprünglich auf schwächelnde Immobilien-Abzahlungen in den USA zurückzuführen sei, ist ebenso ein Mummenschanz (allenfalls die Chaostheorie-These, dass ein Schmetterlingsschlag in China zu einem Orkan in der Karibik führen könne, wäre hier anwendbar). Jetzt greift das FBI ein und versucht die Finanzverbrecher zu stellen. Damit wird aber so getan, als sei es eine aus dem Ruder gelaufene, kriminelle Gier, die hierfür dingfest zu machen wäre. All diese Argumente und Vorgehensweisen verschleiern bewusst eines: Die Krise ist Ergebnis eines Systems, das nur noch auf den Geldwert setzt und die dahinter verborgenen Güter als marginale Randerscheinung ansieht (Marx hatte dafür die Begriffe Tausch- und Gebrauchswert). Aus Geld aber kann man allein nicht mehr Geld machen (oder wie Häuptling Seattle von den Cree-Indianern gesagt haben soll: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werden die Menschen feststellen, dass man Geld nicht essen kann.“) Das Denken nur in Geldwerten hat unser ganzes Denken vergiftet.
Hier geht es in die Kultur. Es wäre nun gewiss der falsche, wenn auch durchaus seinen Reiz nicht entbehrende Weg zu fragen, wie viel Konzerte mit 700 Milliarden Dollar zu bestreiten wären – oder auch zu erkennen, dass man die ganze Menschheit vom Säugling bis zum Greis mit relativ guten Blockflöten ausstatten könnte, die dann, gleichzeitig angeblasen, einen Schmerzensruf aus den Tiefen des Finanzlochs abgeben könnten, der wohl im ganzen All vernehmbar wäre. Aber Kunst hat einen anderen Auftrag, der freilich heute auch recht ramponiert zu sein scheint. Sie sollte auf Werte verweisen, die nicht mit Geld zu bezahlen sind. Und im sinnlichen Vollzug sollte klar werden, dass es die Werte sind, für die es lohnt zu leben. Immer mehr ist dieses Korrektiv heute überlebensnotwendig. Aber was soll man sagen, wenn sich auch die Kunst selbst dem Popanz des Geldes unterwirft? Wenn sie nach Auktionspreisen, Einschaltquoten und Verkaufszahlen schielt und dabei ihren eigentlichen Sinn hintenanstellt?
Die Finanzwelt und ihre Werte, so heißt es nun, werden nach dem Debakel andere sein. In diesem Zuge wäre es wohl auch an der Zeit, über den wirklichen Wert der Kunst neu nachzudenken.