Schon wieder neigt sich ein Jahr seinem Ende zu. Turbulent war es. Obwohl die Turbulenzen nichts genutzt haben. Denn bewegt hat sich eigentlich gar nichts. Im Gegenteil. Politisch „geführt“ werden wir in Zukunft von der Interessengemeinschaft Macht, dem Zusammenschluss dreier Vereine, die sich gemeinsam das Wohl unseres Landes und seiner Bevölkerung auf die Fahnen geschrieben haben. Das Gedrängel auf dem politischen, contentlosen Mittelstreifen ist inzwischen kaum mehr übersehbar und die IG Macht wird in Zukunft mehr damit beschäftigt sein, ihre Führung zu verteidigen denn sich dem Wohl des Volks zu widmen. Uns, ihrem Arbeitgeber, spielten sie zähes, wochenlanges Ringen vor, um am Ende für uns alle das Optimum, nein, das Maximum rauszuholen. Total aufgeräumt und mit Brechreiz erregend guter Laune präsentierten schließlich die vier Grüßaugusts der IG Macht ihr Vertragswerk „Dem Deutschen Volke“ dem deutschen Volk. Besonders hervorgetan hat sich in dieser Zeit des Ringens der Anführer des regional im Süden Deutschlands agierenden Vereins. Wochenlang war er auf der Suche. Nach Lösungen. Aus dem deutschen Dilemma. Wochenlang hat er sich verzehrt. Nur für uns. Man sagt, gefunden habe er nichts.
Ein ganz großer Fehler unserer politischen Parteien ist die Tatsache, dass sie nicht omnipräsent sind, dass sie ihr Produkt nicht dauerbewerben. „Welches Produkt?“, fragt hier einer in der ersten Reihe. Ich sage, das spielt überhaupt keine Rolle. Das Produkt selbst, das was in der Schachtel drin ist, ist völlig nebensächlich. Man könnte es eigentlich weglassen, das Produkt. Genau das tun die Parteien schon seit Jahrzehnten sehr diszipliniert und erfolgreich. Da sind sie allesamt richtig gut. Selbst die Grünen haben das sehr sehr schnell gelernt. Aber die Kampagnen? Das Werben um den politischen Auftrag? Um meine Stimme? Da isses ganz ganz finster. Luftballons in der Fußgängerzone. Ein wiederbefüllbares Feuerzeug habe ich mal von der SPD bekommen. Das hat aber nicht einmal eine Kippenpackung lang funktioniert. Was natürlich bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat.
So. Und jetzt kommt mein Brückenschlag zur Musik: Zu eben dieser Omnipräsenz gehört natürlich auch ein allgegenwärtiges Parteilied, ein Song – nein – besser eine Erkennungsmelodie, ein Ohrwurm, den man sofort mit der jeweiligen Partei in Verbindung bringt. Nix. Zappenduster. Nur mal angenommen, einer der Parteigeneräle würde bei mir vorsprechen und sagen: „Herr Semmelmann, machet Sie mir en knallige Parteisong. Eine Hymne sollt’s sei, die I unter der Dusch’ trällre kann, im G’schäft, beim Vesper, always änd evrywer. Sie wisset scho.“ Meine Antwort würde heißen: „Herr Kauder: Knifflig, knifflig.“
Welche Musik für welche Partei? Also rein imagemäßig. Die Linke/PDS ist noch relativ einfach. Ich würd’ mir einfach was von den Toten Hosen schreiben lassen. Ein Reunion von den Scherben? Oder was von Dittsche und Schildkröte? Die Grünen? Bissle Umwelt, egomanisch, erfolgreich, aber trotzdem sehr hohe Street Credibility bitte. Vielleicht einen Grönemeyer? Oder Musik von Sting, Text von Claudia Roth: „Ein Stück weit Grüne Betroffenheit!“ FDP: Kondomfreie Prostitution für ein bisschen Macht, Ellbogen, Treten nach unten, Frohlocken nach oben. Mmh. Schwierig. Modern muss es schon sein. Und rücksichtslos. Sorry, ich kenn’ mich da nicht aus. Ich reich’s irgendwann nach. Bei der FDP hat eh keiner Zeit zum Singen. Müssen alle die Karriereleiter hoch. Koste es, was es wolle. Das ist der Liberalen einziger Lebenszweck. SPD: Klarer Fall, auch wenn Schröder weg ist: Westernhagen. Das reicht schon. Ideologisch wird sich in der SPD in nächster Zeit nix bewegen. Da passt ein Westernhagen ganz wunderbar. Den Arbeiterbewegten geben, aber leben wie ein Fürst. CDU: Da muss viel rein. Christliche Volkspartei und so. Richard Wagner, die Bergpredigt, die deutsche Mutter, die Polizei, bissle Nazi zum Votepicking am rechten Rand, freie Managergehälter und freie Fahrt für freie, deutsche Autofahrer. Vielleicht André Rieu? Text: Thomas Gottschalk. Ich tu’ mich da sehr schwer. Weil es halt auch nicht meine politische Heimat ist. Gott(!) sei Dank. Die CSU ist einfach: Blasmusik, Hasstiraden auf den politischen Gegner, Alkohol und Bierzelt. Hauptsächlich Alkohol. Das heißt: Fülle eine Trachtengruppe aus dem Allgäu bis zum Umfallen ab und lasse sie dann die Bayerische Nationalhymne singen. Außerhalb Bayerns nehme man Sudetendeutsche und die Deutsche Nationalhymne. Bis an die Memel. That’s it. Die CSU ist total easy.
Klingt das nicht fürchterlich? Nicht auszudenken, wenn an Heilig Abend jeder Parteivorsitzende eine Fernsehansprache zur Lage der Nation halten würde. Mit dem Parteisong im Abspann. Herrje.