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Aufruf zur Bescheidenheit

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Schlechte Zeiten für qualifizierte Arbeitnehmer! Gehaltssteigerungen, die dem anhaltenden Wirtschaftsboom angemessen wären, werden von den Unternehmern abgeschmettert oder vom gierigen Fiskus zunichte gemacht. Die Pilotenvereinigung Cockpit musste ihre berechtigten Forderungen bereits auf 24 Prozent plus Gewinnbeteiligung reduzieren und ist obendrein Opfer einer Kampagne von Neidhammeln, die sie als Millionärsgewerkschaft verleumden.

Schlechte Zeiten für qualifizierte Arbeitnehmer! Gehaltssteigerungen, die dem anhaltenden Wirtschaftsboom angemessen wären, werden von den Unternehmern abgeschmettert oder vom gierigen Fiskus zunichte gemacht. Die Pilotenvereinigung Cockpit musste ihre berechtigten Forderungen bereits auf 24 Prozent plus Gewinnbeteiligung reduzieren und ist obendrein Opfer einer Kampagne von Neidhammeln, die sie als Millionärsgewerkschaft verleumden.Auch den Vorstandsmitgliedern großer deutscher Aktiengesellschaften weht der Wind ins Gesicht. Sie konnten zwar laut einer Zeitungsmeldung vom 21. Mai ihr Einkommen im Jahr 2000 um eine Million Mark steigern und verdienen jetzt im Schnitt 3,4 Millionen pro Jahr, doch die asozialen Spitzensteuersätze von Rot-Grün fressen ihnen so viel weg, dass unter dem Strich nicht einmal mehr lausige zwei Milliönchen übrig bleiben. Zwei Beispiele, wie Leistung bestraft wird.

Und das bei der Verantwortung für Leib und Leben der Passagiere und für das Wohlergehen der unersättlichen Angestellten und Shareholder. Da hätten es kulturelle Kleinunternehmer wie Komponisten, Musikkritiker oder Privatmusiklehrer doch eigentlich besser. Sie sind frei, können sich den lieben langen Tag der herrlich nutzlosen Kunst, dem Guten, Wahren und Schönen widmen und werden dafür ausgehalten von einer Gesellschaft, die sich ihr interesseloses Wohlgefallen mit garantierten Mindesthonoraren, staatlich subventionierten Sozialkassen und anderen Großzügigkeiten einiges kosten lässt. Doch was ist das Resultat? Undankbarkeit. Anstatt ihren frei gewählten Verpflichtungen im Reich der Töne nachzugehen, singen sie mit im Chor der Unzufriedenen.

Die Autoren tragen ihre Melodie mit gewohnter Hartnäckigkeit vor. Da wurde zum Beispiel im Westdeutschen Rundfunk eine Regelung gefunden, die freiberufliche Urheber vor der Ausbeutung durch die neuen Technologien, besonders im Internet, schützt. Für die zeitversetzte Nutzung eines Beitrags in Online-Diensten gibt es jetzt nochmals einen Aufschlag von 4,5 Prozent auf die ohnehin schon opulenten Honorare; und das, obwohl noch kein Mensch mit Sicherheit sagen kann, ob das Internet-Radio überhaupt Zukunft hat. Man sehe sich doch nur die Krise der New Economy an! Doch statt Dankbarkeit über so viel Voraussicht hört man von den Autoren nur dumpfes Grummeln über die gleichzeitige Abschaffung der Honorare bei Wiederholungssendungen, die innerhalb eines Tages auf anderen Kanälen stattfinden. Aktualität ist zwar Gold wert, doch die neuen Kanäle sind teuer. Wo käme man hin, wenn der mehrfach verwertete Content schon gleich von Anfang an mehrfach bezahlt werden müsste?

Oder die Komponisten. Sie jammern traditionell über Auftragshonorare, die angeblich nicht einmal dem Lohn einer Putzfrau entsprechen. Dabei liegt es doch nur daran, dass sie viel zu kompliziert schreiben, was natürlich einen Haufen Zeit kostet und überdies die Akzeptanz entschieden beeinträchtigt. Eine solche Ineffizienz kann sich in der Wirtschaft niemand mehr leisten. Jede Abteilung, die auf diese Weise noch in reiner Handarbeit produziert, wird heute zu Recht sofort zugemacht. Was wäre, wenn ein Pilot noch mit Handnavigation fliegen würde? Aber die Komponisten meinen, sie müssten bei jedem neuen Stück immer wieder von vorne anfangen. Der Computer nimmt doch heute dem Menschen viel an Denkarbeit ab, und es gibt inzwischen genügend Software, die einem die kompositorischen Grundsatzentscheidungen erleichtert und eine saubere Detailgestaltung garantiert. Außerdem: Die vielleicht 12.000 Mark, die der Komponist zum Beispiel vom Rundfunk für ein Orchesterstück erhält, an dem er vier Monate gearbeitet hat, sind doch noch längst nicht alles. Man denke an die Tantiemen bei Wiederholungssendungen – nach Abzug der Verlagsanteile, von Steuern, Altersvorsorge und Bürokosten bleibt da sicher noch etwas übrig.

Aber letztlich geht es in der Kultur doch um andere Werte. Und dazu gehört nicht zuletzt die Ehre, Urheber in einem höheren Sinn zu sein – Urheber von wirtschaftlichen Vorgängen, die zum Beispiel eine Opernuraufführung auslöst. Wer da nicht alles profitiert! Lufthansa und Deutsche Bahn von den Dienstreisen der Intendanten, Regisseure, Verleger, Kritiker und Adabeis aller Sorten, die lokale Gastronomie mit Festivalmenüs, der Friseur um die Ecke, der der Frau Direktor zum Premierenbesuch eine neue Dauerwelle verpasst.

Der Komponist als Gestalter gesellschaftlicher Prozesse! Eine edlere Aufgabe ist nicht denkbar. Wenn er seine Urheberschaft mehr auf diese Weise verstünde, käme er von seiner kleinlichen pekuniären Sichtweise bald einmal weg und würde etwas von jenem Stolz empfinden, der heute zu Recht wieder gefordert ist, wo es um höhere kulturelle Werte wie Fußball oder Nation geht. Die Musik hinkt da wieder einmal hoffnungslos hinterher. Also, liebe Komponisten, etwas mehr Bescheidenheit bitte, und nehmt euch ein Vorbild an den opferbereiten Piloten und Unternehmensvorständen. Die Allgemeinheit wird es euch danken.

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