Es ist eine ganz eigenartige Dialektik: In Zeiten der Vernetzung und Globalisierung scheinen sich die Kulturen zwanghaft trennen zu wollen. Unter dem Wunsch, eine Identität von Kultur zu schützen, werden Mauern der Trennung erneut kultiviert. Wir gegen die – die oder Wir? Häufig wird dieser Kulturstreit auf dem Boden politisch unredlicher Absichten geführt.
Die Furcht, eine andere Kultur könnte sich der eigenen bemächtigen wird geschürt und der Austausch mit anderen Kulturen wird gerne allgemein als Akt der Ausbeutung und Kolonisierung gefasst: In Lebenswelten und damit auch der musikalischen Kultur.
Dem gegenüber stehen Forschungen im Feld und deren Analyse. Béla Bartók hat in einem Text von 1942 mit dem Titel „Rassenreinheit der Musik“ erkannt: „Der Stand der Volksmusik in Osteuropa kann folgendermaßen zusammengefasst werden: Als das Resultat einer ununterbrochenen gegenseitigen Beeinflussung zwischen der Volksmusik der verschiedenen Völker ergeben sich eine gewaltige Mannigfaltigkeit und ein riesiger Reichtum an Melodien und Melodietypen.“ Sein Fazit: „Eine vollkommene Absperrung gegen fremde Einflüsse bedeutet Niedergang; gut assimilierte fremde Anregungen bieten Bereicherungsmöglichkeiten.“
Das ist eine Erfahrung, die jede und jeder von uns auch aus anderen Bereichen kennt. Kultur ist kein Eigentum von Kultur, sondern der Grundidee nach immer ein Kommunikationsangebot zwischen den Menschen. Dem gegenüber stehen politische Bestrebungen von Diktaturen und andere Machtinteressen, die darauf abzielen Menschen zu trennen. Ein Irrsinn sondergleichen. Kulturen, die ihre Identität zum Zwang gegen sich selbst gestalten, schützen sich nicht, sondern befördern ihren Untergang und sind desto leichter von Auslöschung bedroht. Kulturen dagegen, die überall auf der Welt erblühen und kommunizieren, können nicht sterben. Auf eine kulturelle Identität sich gesellschaftlich vereidigen zu müssen, ist im besten Fall gleichbedeutend mit kultureller Selbsteinschläferung und im schlechtesten Fall mit dem massenhaften Mord anderer Menschen.