Vor gefühlten 90 Jahren brachte ich meinen Kirchenchor mit zu einem Klassenabend. Plötzlich waren da 20 Herrschaften und lauschten erratischen Sinustonstudien, die sich – echt! – vortrefflich mit dem Fiepen eines Hörgeräts vermischten. Immer mal wieder wurde damals das „Proletariat“ als theoretische Konstruktion diskutiert – hier ist es, dachte ich bei mir, schaut’s euch mal an!
Ich habe hier keine belastbare Statistik vorzuweisen, lediglich eine Ahnung, die ich gern diskutiert wüsste: Während es für unterschiedlichste Personengruppen Fördermaßnahmen, Kurse, Symposien, Statistiken, Publikationen etc. in großer Zahl gibt (bitte nicht missverstehen: das ist gut und richtig!), fehlt mir der Blick für Studierende, die aus jenem – horribile dictu – „proletarischen“ Milieu stammen. (An vielen Unis gibt es diesen Blick bereits!) Junge Leute, die als erste in ihrer Familie studieren – und dann noch so etwas Brotloses wie Musik: „Kind, mach was Richtiges!“ Regelmäßiges Üben, erste Komponierversuche oder ähnliches wurden ohnehin schon beargwöhnt – und dann kommt’s Studium und wieder spricht man kaum die rechte Sprache, hat vielleicht nicht die richtigen Verhaltensweisen und lernt erst spät die „richtige“ Selbstvermarktung. Es folgt hier keine Pointe.
Aber der Wunsch sei formuliert, jene nicht aus dem Blickfeld verschwinden zu lassen, die sich unwissentlich selbst zum Verschwinden bringen, weil sie das Auftrumpfen nicht gelernt haben. Vielleicht braucht es unsichtbare Mentoren. Wer macht mit?