Wie steht es eigentlich mit Italien? Was ist mit Pizza Kwattro Statschoni, den römischen Nächten, der Trüffelsuche im Piemont? Immer noch locker, das Ganze? Leider nicht. Das Land wird von inneren Spannungen zerrissen. In unseren Medien kommt das meist nur in Form von Brüsseler Slapstickszenen an, etwa, wenn anstelle des schamlosen Berlusconi nun der adrette Sozialist Renzi mit den EU-Bürokraten bühnenwirksam aneinandergerät. Aber dass hier ein Staat zwischen korrupter Politik, vorsintflutlicher Verwaltung, versteinerten Gewerkschaften, Euro-Diktat und Völkerinvasion aus Nordafrika buchstäblich zerrieben wird, das wird in den Korrespondentenberichten bes-tenfalls mal kurz gestreift. Es geht ja um die große Politik und die dazugehörigen Vorzeigegesichter. Da stören Details wie 44 Prozent arbeitslose Jugendliche nur.
Die Kultur ist auch hier ein zuverlässiger Frühindikator für den allgemeinen Zerfall, wenn auch nicht mehr, wie es im Fall Gorkis einst hieß, als „Sturmvogel der Revolution“ mit aussagekräftigen Werken, sondern wie in Fellinis Film „Orchesterprobe“: als Gegenstand der Abrissbirne. Doch auch das dringt nur in besonders krassen Fällen an unsere Ohren, etwa wenn Riccardo Muti in Rom entnervt das Handtuch schmeißt. Da ist Facebook, das weltweite Quatschmedium, doch eine gute Alternativquelle. Ein italienischer Freund hat hier neulich einen Artikel gepostet, der etwas genauer in das Desaster hineinleuchtet. Im Blog „Costruire Su Macerie“ (Bauen auf Trümmern) beschreibt ein Autor voller Wut und Parteilichkeit, wie wirtschaftliche Nieten auf Intendantenposten ihre Häuser zugrunde richten. Nach ihm sieht das Modell so aus:
Der Intendant schnorrt bei einem Empfang von irgendeinem Kulturpolitiker oder Beamten einen finanziellen Sonderbeitrag für eine angeblich aufsehenerregende Produktion mit teuren Gästen. Mit dem Champagnerglas in der Hand wird der Deal besiegelt, die Produktion aufs Programm gesetzt. Doch das Geld kommt natürlich nie. Entweder hat die Polit-Prominenz ihre Zusage vergessen, oder die Verwaltung blockiert, oder auf dem Posten sitzt plötzlich ein Neuer, der von nichts weiß. Nun muss das Defizit irgendwie verwaltet werden. Die Bezahlung der Lieferanten und der gewerkschaftlich nicht gebundenen Mitarbeiter wird verschleppt, die kreditgebenden Banken werden vertröstet, in der Presse wird eine Kampagne für die missachtete Kunst und gegen die böse Politik losgetreten und das Defizit auf die nächste Saison übertragen. Und auf die übernächste. Nach drei bis vier Spielzeiten ist dann Schluss: Die laufende Produktion muss gedrosselt werden, die Belegschaft macht einen Aufstand, die Öffentlichkeit hat ihren Skandal. Und was macht der Intendant? Er kassiert seinen fürstlichen Lohn und lässt sich von der Kulturmafia auf den nächsten Posten hieven, wo er dasselbe veranstaltet.
Fazit des Autors: Raus mit solchen Typen aus den Theatern, notfalls auch mit einem Tritt in den Hintern. Ziemlich rabiat, die Methode. Aber Italien ist ja weit weg.