Es ist schon fast sehr lange her, da meinte es ein bundesdeutscher Kanzler gut mit uns und gab die Empfehlung heraus, man müsse den Gürtel enger schnallen. Das sagte er, der locker weit über 100 Kilogramm auf die Waage brachte. Hat sich damals jemand die Mühe gemacht, sich diese Leute anzusehen, die wie die Wurst aus der Pelle schauten, qualvoll quellend. Da würde sogar ein Placido die Platzidität übersteigen. Das also musste verhallen. Man übte sich ja auch anderswo anders. Nämlich in Diäten oder wie es die Wirtschaftsgeneräle nannten: Eine Körper-Reform wurde verabreicht. Der Kultur gegenüber verkaufte man es als „Gesundsparen“. Das klingt zwar nicht schön, aber fast medizinisch korrekt. So adrett, dass mir ein Musikdramaturg die Verwendung dieses Begriffs unter Androhung physischer Gewalt untersagen wollte. Was man denn da „gesundspare“, das werde nämlich krank. Sparwuchs auch in der Musikkultur ist dennoch up to date. Denn am Sparen kann man nicht zu wenig sparen.
Die Zeiten gehen nicht nach Kunst und Bildung, sondern nach deren Vernichtung. Der sozialistische Alt-Ossi Richard Wagner wusste dies genau, als er auf die Barrikaden ging. Er verlangte eine Revolution, nicht eine popelige Reform. Nachdem er den „unentgeldlichen“ Zugang zum Theater forderte, mahnte er an: Die „Sache des Staates, oder mehr noch der betreffenden Gemeinde, müsste es aber sein, aus gesammelten Kräften die Künstler für ihre Leistungen im Ganzen, nicht im Einzelnen zu entschädigen. Wo die Kräfte hierzu nicht hinreichen, würde es für jetzt und für immer besser sein, ein Theater, welches nur als industrielle Unternehmung seinen Fortbestand finden könnte, gänzlich eingehen zu lassen…“.
Nicht enger schnallen, locker machen. Man braucht nicht mehr Kulturmanager, sondern mehr befreite, freie Kunst. Okay, geht nicht, will keiner, ist zu aufwendig, macht Arbeit – war ja nur so eine Idee; wie damals 1848, als man Theater und Kunst wollte und keine reine Bilanz-Arena.