Es ist Sommer, draußen verödet mein ohnehin durch aggressive Maulwürfe arg gebeutelter Rasen – und es ist Zeit, an den heißesten Job zu denken, den die Musikwelt zu vergeben hat. Einen Job, den jede und jeder von so Leuten wie den nmz-Leserinnen und Lesern schon mal hatte. Ein Job voller Gefahren und brenzligen Situationen, der uns stets ans Limit bringt, existentielle Erfahrung ist – und doch niemals recht anerkannt, geschweige denn bejubelt wird.

Gordon Kampe.
Blättern
Ich hole das hier nach: Gepriesen sei, wer die Anfrage „Kannst Du mir blättern?“ mit „Ja!“ beantwortet.
Dieses „Ja“, wir haben es alle irgendwann einmal bereut. Als ich 16 war, habe ich einem Klaviertrio aus Dingenskirchen die Show versaut, weil irgendwelche Stullenreste zwischen den letzten beiden Seiten klebten. Himmel: Wenn die Pianistin nickt, aber man das Stück woanders wähnt – meinte sie mich oder war es Emphase? Schauen Sie mal auf Instagram: da gibt es ein Video, auf dem Yuja Wang die Falschblätterin mit Blicken tötet, dass einem das Blut gefriert. Kurz danach ein Video, in dem sich eine Pianistin auf dem IPad vertippt und nicht die nächste Notenseite, sehr wohl aber Kochrezepte, Urlaubsfotos und die zuletzt gesehene Netflixserie aufploppen.
Es sind Sekunden des Musikerinnen- und Musikerlebens, die unsere Berufswahl ganz und gar in Frage stellen. Wenn demnächst das Blättern wegen unkaputtbarer iPads oder irgendwelchen Blätterbots wegfällt: Es wäre trist. Beim Blättern zeigt sich, wer Nerven aus Stahl und ein Herz aus Buttercreme hat. Lob sei dem Blättern. Amen.
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