Weil es seit Jahren keine Sommerhits mehr gibt und die Plattenverkäufe dem jährlichen Umsatz des örtlichen Skibasars entsprechen, hat man sich seitens der Phonobranche entschlossen, alle zwei Jahre eine Bilanz bereinigende Fußball-Hymne zu küren. Die nennt sich recht attraktiv offizieller EM-Song oder WM-Hymne. Und muss unter Androhung von Kriegserklärungen an das Gastgeberland vom FIFA-Chef Joseph S. Blatter persönlich abgesegnet werden. So belferten zur WM 2006 die Sportfreunde Stiller zwar ohne Blatter-Segen, dafür auf Malle-Niveau „54, 74, 90, 2006“. Und nicht wenige der Mitschreier dachten, es ginge in Wahrheit um die allabendliche Bierschlagzahl. Dabei mussten sich die Sportfreunde den Hymnenkampf mit äquivalenten Abtörnern wie Herbert Grönemeyer (Zeit, dass sich was dreht), Bob Sinclair (Love Generation), Oliver Pocher (Schwarz und Weiß), Wise Guys (Weltmeister), James Blunt (High), Nelly Furtado (Forca) und Anastacia (Boom) teilen. Eine Furcht einflößende Ansammlung von Hymnen, deren unwürdiger Weg ans Licht lieber ungeklärt bleibt.
Nun wäre ein Loblied noch erträglich. Doch der Markt braucht es schmutzig. Deshalb wird es zur EM 2008 in Österreich und der Schweiz nicht eine, sondern dutzende geben: Die privaten TV-Sender versuchen ihre missratenen Popklone mit Horrorsongs aus der Versenkung zu hieven. Dicht gefolgt von den öffentlich-rechtlichen, die eine vom entnervten Programmdirektor talentlose Jungband für eine utopische Mission verpflichten: Den 70jährigen Durchschnitts-Seher weit vor der EM mit Gitarrenrock und deutschen Texten bekannt zu machen. Dazu gesellen sich substanzlose EM-Songs aller Plattenfirmen um Newcomer einzuäschern oder Altstars zu exhumieren. Nicht zu vergessen die Alkohol-Firmen, deren Plörre sich nur während drei Minuten qualvoller musikalischer Einfallslosigkeit hinunterspülen lässt. Vorbei die Zeiten, als Udo Jürgens 1978 mit der Nationalmannschaft „Buenos Dias Argentina“ zelebrierte. Oder Michael Schanze 1982 mit den deutschen Kickern zur WM in Spanien „Olé España“ als Gassenhauer einer sich im Anschluss verlierenden Generation präsentierte. Gut, selbst Schanze und Jürgens wollten ihre Platten verkaufen. Doch die Phonoindustrie war damals noch kein Haifischbecken. Das waren doch alle Freunde von Dieter Thomas Heck.
Wie auch immer. Die EM naht. Da passt eine Pressemitteilung der UEFA ins Bild: One-Hit-Wonder „Shaggy“ (1995 mit „Boombastic“ erfolgreich) wird den offiziellen EM-Song 2008 „Like a Superstar“ rappen oder sprechen. Singen kann er ja nicht. Shaggy stammt aus Jamaika. Ein Land, das mit den EM-Gastgebern soviel gemeinsam hat wie Kuhglocken mit der Copacabana. Credibility ist eben alles. Auf die Sportkameradschaft ein dreifaches „Hip Hip Hurra“.