Die Helden der Quälerei, die Helden der Herzen, die Helden in Schwarzrotgold oder in Anabolika-Rotweiß: diese Helden des Sports haben ausgedient. Es ist kaum einen Monat her, dass der Direktor des Bühnenvereins, Rolf Bolwin, die Gunst der Stunde nutzen mochte, um im Doping-Schatten der Tour de France die Sponsoren zum Umsatteln auf Kultur zu bewegen.
„ Kunst und Kultur stehen für Innovation, Kreativität und Diskursfähigkeit. Kaum etwas kann daher das Ansehen von Unternehmen besser steigern als eine private Förderung des künstlerischen Schaffens in unserem Lande“, liest man in der Pressemitteilung des Bühnenvereins. „Wer eine Operntournee nach Japan fördert, findet neue Käufer, egal ob es um Autos oder Gummibärchen geht“, äußerte Bolwin. Theater im Bühnenverein.
Ähnlich auf der Popkomm. Begleitend zur Messe fanden Podiumsdiskussio-nen ihren Platz. Im Zentrum stets die Kunst – zumindest als Aufhänger. Denn eigentlich geht es auch hier um Gummibärchen, die zu verteilen sind: an die Industrie des Bewusstseins, an die Creative Industries. Der Wind hat nun endgültig gedreht und kenntlich gemacht, dass Kunst eigentlich nur ein Klebefeld für Geld sein soll, als Lutschtablette für die Wirtschaft, geradezu parasitär. So präsentierte sich die so genannte „Initiative Musik“ mit ihren zwölf Weisen auf der Popkomm. Ein Aufsichtsrat, der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, der gelernte Bankkaufmann Carsten Schneider, betonte immer wieder im Beckenbauer-Tonfall, dass man endlich zur Einsicht zu gelangen habe, dass Musik vor allem ein Wirtschaftsfaktor sei. Chef-Ideologe und Phonoverbandsvorsitzenderstellvertreter Dieter Gorny blies ins gleiche Horn, „Musik ist nicht nur Kulturgut sondern auch ein wesentlicher Wirtschafts- und Imagefaktor für unser Land.“
Und, müsste man ergänzen, gehört endlich unter die Fittiche des hinlänglich unfähigen Wirtschaftsministers Michael Glos. Zusammen mit seinem Phono-Akademie-Kuratoriumsmitglied, Kulturrat-Faxverbots-Anreger, Bundestags-Haushaltsausschuss-Mitglied, Diplomvolkswirt, Steffen Kampeter fand man das Ei des Kolumbus für die Zukunft der Musik in Deutschland und nannte es „Initiative Musik“, in Wirklichkeit ist es ein kunstbefreites trojanisches Pferd der Wirtschaft. Mit Kampeter ist man auch sonst an der besten nur denkbaren Adresse, kennt er sich doch mit der Zweit- und Resteverwertung bestens als Kuratoriumsmitglied „Das duale System – der Grüne Punkt“ aus. Das passt alles zusammen.
Wer die erlesene Riege des zwölf-köpfigen Aufsichtsrates der „Initiative Musik“ sich haltungslos und selbstgefällig auf den schnörkelig-weißen Popkomm-Sofas räkeln sah, erahnte vielleicht, dass sich hier gerade etwas ganz Tolles ereignet hatte: nämlich das ganz normale Politik- und Kulturmanagement in der Berliner Republik – Politikerdoping und Kulturmauscheling.