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Protestplakat am Eingang der Trossinger Musikhochschule. Foto: Staatliche Hochschule für Musik Trossingen
Protestplakat am Eingang der Trossinger Musikhochschule. Foto: Staatliche Hochschule für Musik Trossingen
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Chronik einer angekündigten Spaltung – Die baden-württembergische Musikhochschullandschaft steht vor einem Scherbenhaufen

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Es läuft sicher alles prima? Wie auf der Titelseite der Ausgabe 7-8/2013 angedeutet, hatte die nmz beim baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) nachgefragt, welche Ergebnisse die schon vor längerer Zeit erfolgte Querschnittsprüfung der Musikhochschulen Freiburg, Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart und Trossingen gezeitigt habe, und keine Antwort erhalten. Am 15. Juli nun legte der Landesrechnungshof seine „Beratende Äußerung“ vor, Ministerin Theresia Bauer präsentierte die daraus – beziehungsweise entgegen dieser – gezogenen Schlüsse zwei Tage später. Sie lösten in der Musikszene nicht nur Baden-Württembergs ein mittleres Erdbeben aus. Versuch einer Sortierung: [Vorabdruck aus der nmz 9/2013]

Vor dem Hintergrund der von der grün-roten Landesregierung angestrebten Haushaltskonsolidierung (Stichwort: Schuldenbremse) hatte der Rechnungshof Baden-Württemberg die Musikhochschulen des Landes geprüft und einerseits Einsparungen, andererseits neue Einnahmemöglichkeiten empfohlen. Das Einsparpotenzial in Höhe einer Rückführung der jährlichen Zuwendungen durch das Land um zirka fünf Millionen Euro sieht der Rechnungshof in einer über alle fünf Standorte verteilten Reduzierung der vom Land finanzierten Studienplätze um 500 im Bereich Bachelor und Master. Zur Einnahmenverbesserung schlägt er vor, für weiterbildende, berufsbegleitende und postgraduale Angebote weitgehend kostendeckende Entgelte einzuführen und auch von Studierenden aus Nicht-EU-Staaten, deren Zahl einer Quote unterliegen soll, Gebühren zu verlangen. Gleichzeitig würde es die Globalbudgetierung den einzelnen Musikhochschulen ermöglichen, flexibler mit ihren Studienangeboten zu agieren. Bei effizienter Haushaltsführung könnten auch weitere Studierende aus dem In- und Ausland sowie in Weiterbildungsmasterstudiengängen oder im dritten Studienzyklus aufgenommen werden.

Das vom MWK vorgelegte Eckpunktepapier unter dem Titel „Weiterentwicklung der Musikhochschulen in Baden-Württemberg“ geht ebenfalls von einem Abbau von 500 Studienplätzen aus und stellt dieses Ziel, wie spätere Stellungnahmen erkennen lassen, in den Vordergrund. Das MWK stützt sich dabei auf die vage Einschätzung des Rechnungshofes („deutliche Indizien“), es werde über Bedarf ausgebildet. Im Rahmen dieses Abbaus sollen allerdings die Standorte Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart vorbehaltlich noch zu vereinbarender Profilbildungen unverändert bleiben. In Mannheim ist neben dem Erhalt der Tanzsparte eine Konzentration auf Pop und Jazz vorgesehen, die Popakademie soll dabei integriert werden und Hochschulstatus erhalten. In Trossingen soll zukünftig nur noch Elementare Musikpädagogik und Alte Musik angeboten werden, außerdem ist dort eine von allen fünf Standorten genutzte „Musikhochschulakademie“ geplant. Das Einsparvolumen liegt bei vier Millionen Euro jährlich.

Diskurs und Dialog

Zur Entstehung dieser Eckpunkte heißt es in der Presseerklärung des Ministeriums: „Dem Konzept ging ein intensiver Diskurs voraus. Seit Februar 2013 stand das Ministerium mit den fünf Musikhochschulen Freiburg, Mannheim, Karlsruhe, Trossingen und Stuttgart im Dialog über die strukturelle Weiterentwicklung. Auch externe Experten wurden eingebunden. Dabei wichen die Meinungen zum Teil stark von den Bewertungen des Rechnungshofs ab.“ Ministerin Bauer fasste diese abweichende Meinung in die Formulierung: „Der Rasenmäher löst keine Probleme.“ Stattdessen also „Qualitätsverbesserung“ und „Weiterentwicklung“ – eine Sprachregelung, der sich die Hochschulen Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart anschlossen. Im Eckpunktepapier des MWK heißt es dazu: „Die Musikhochschulen Mannheim und Trossingen sind der Auffassung, dass an allen Standorten ohne Qualitätseinbußen weiter gekürzt werden kann. Die Musikhochschulen Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart verneinen das ausdrücklich und tragen das Konzept für die Spezialisierung und Profilbildung innerhalb der Musikhochschullandschaft bei Erhalt aller Standorte mit.“

Der Karlsruher Rektor Hartmut Höll nahm als amtierender Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz der Musikhochschulen in Baden-Württemberg (LRK) an der Pressekonferenz vom 17. Juli teil, räumte aber ein, „nicht so sicher“ zu sein, ob er „angemessen für alle fünf Musikhochschulen des Landes sprechen“ könne. Es sei „keine einheitliche Auffassung der fünf Musikhochschulen erreicht“ worden, so Höll weiter, der den abweichenden Standpunkt wie folgt wiedergab: „Die Hochschulen Mannheim und Trossingen vertraten die Auffassung, ‚irgendwie‘ werde man mit den Kürzungsauflagen des Rechnungshofes zurechtkommen.“ (Zitiert nach dem von Prof. Höll zur Verfügung gestellten Manuskript)

Nachdem zunächst der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Trossinger Musikhochschule Höll zum Rücktritt vom Amt des LRK-Vorsitzenden aufgefordert hatte, gaben die Hochschulen Mannheim und Trossingen ihren Austritt aus der LRK bekannt und gründeten eine eigene, „Unabhängige Landesrektorenkonferenz“, um, so die Trossinger Rektorin Elisabeth Gutjahr gegenüber der nmz, „in dieser Debatte nicht durch Verschweigen und Partikularinteressen unter den Teppich gekehrt zu werden“. Zuvor hatte Rudolf Meister, Präsident der Mannheimer Musikhochschule, ebenfalls gegenüber der nmz, im Zusammenhang mit den Ministeriumsplänen von drei Gewinnern und zwei Verlierern gesprochen. Die Gewinner – also Stuttgart, Freiburg und Karlsruhe – seien offenbar frühzeitig der Meinung gewesen, ihre Position durchsetzen zu können. „Von daher gab es keine Bereitschaft zur Solidarität“, so Meister.

Vorgeschichte

Nicht nur diese letzte Aussage deutet darauf hin, dass die Spaltung innerhalb der baden-württembergischen LRK eine Vorgeschichte hat. Dazu noch einmal Höll in der Pressekonferenz vom 17. Juli: „1998 wurde die Schließung der Musikhochschule Trossingen diskutiert. Aus regionalpolitischen Gründen wurde schließlich davon Abstand genommen. Stattdessen wurde gemäß den Vorgaben des damaligen Staatssekretärs Palmer eine Mittel-Kürzung um 20 Prozent für alle fünf Standorte beschlossen und diese zu Lasten aller fünf baden-württembergischen Musikhochschulen auch durchgesetzt. Denn 5 x 20 Prozent kam einer Hochschule gleich.“ Im Jahr 2011, also noch während der Prüfungsphase, wird Elisabeth Gutjahr von einem Mitglied des Rechnungshofes zugetragen, Kollegen hätten, um Einsparungen zu vermeiden, eine Schließung der Trossinger Hochschule vorgeschlagen, was auf eine Nachfrage Gutjahrs in der LRK auch bestätigt wird.

Im Februar 2013 – die Beratende Äußerung liegt noch nicht vor – findet ein erstes Gespräch bei der Minis­terin statt, die einen ergebnisoffenen Dialog ohne feste Sparquote ankündigt. Die Stuttgarter Rektorin Regula Rapp drängt dabei auf eine baldige Entscheidung – eine Haltung, die Prorektor Matthias Hermann im Gespräch mit der nmz bekräftigt: „Frau Rapp, und dafür hatte sie breite Unterstützung, hat schon seit langem im Hochschulrat und auch innerhalb der LRK dafür geworben, dass das Ministerium bald zu einer Entscheidung kommt, damit wir wissen, wie wir in Zukunft weiter machen.“ Daraufhin werden für Juni dreitägige Workshops zusammen mit Referenten und fünf Experten im Ministerium angekündigt. Im Mai verschickt der Rechnungshof den Entwurf seines Berichts zur Stellungnahme und Korrektur an die Beteiligten, der somit als Grundlage für die Workshops zur Verfügung steht. Anders als im Jahr 1998 rät der Rechnungshof nun explizit davon ab, eine der fünf Hochschulen zu schließen oder auch nur den Trossinger Studiengang für das gymnasiale Lehramt zu verlegen. In der mit „Einverständnis von Freiburg und Stuttgart“ von Hartmut Höll vorgelegten Stellungnahme heißt es unter anderem: „So hält es die LRK für angemessen, grundsätzlich Studienbeiträge für alle Studierenden an den baden-württembergischen Musikhochschulen einzufordern. Auch sollte ein zweiter MA, sollten berufsbegleitende und weiterbildende Studienangebote kostendeckend durch Studienbeiträge finanziert werden.“

Die Workshops

Nachdem sich am Abend des zweiten Workshop-Tags Experten und Ministeriumsmitglieder zu einem gemeinsamen Abendessen zurückziehen, legt Höll tags darauf eine offenbar in der Nacht erarbeitete Erklärung der Hochschulen Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart vor. Sie enthält in groben Zügen den dann vom MWK aufgegriffenen Vorschlag zweier sich spezialisierender Hochschulen und die Idee einer Musikhochschulakademie. Als Auslöser gibt der Freiburger Rektor Rüdiger Nolte gegenüber der nmz eine Aussage Rudolf Meisters an. Dieser hätte am zweiten Tag den Vorschlag gemacht, an der Mannheimer Hochschule könne die Zahl der Professoren/-innen von über 50 auf 30 reduziert werden. Überdies wolle er diese veranlassen, kostenfreie Überdeputate zu leisten. „Wir konnten nicht nachvollziehen, warum Herr Meister einen solchen Ausverkauf anbietet.“ Rudolf Meister zufolge – Aussagen anderer Teilnehmer stimmen darin überein – gab es an dem betreffenden Tag keinen solchen Vorschlag. Er taucht dann wieder in einer Erklärung der drei Hochschulen vom 22. Juli als Argument dafür auf, warum man mit dem vom MWK vorgelegten Eckpunktepapier konform gehe. In dieser Erklärung wird „die Vollfinanzierung sämtlicher Aufbau- und Weiterbildungsstudiengänge durch Studiengebühren“ für „nicht akzeptabel und nicht möglich“ gehalten.

Ein letzter Workshop im Ministerium findet dann am 15. Juli statt. Die zwischenzeitlich von den Hochschulen Mannheim und Trossingen vom Rechnungshofbericht ausgehend erarbeiteten Vorschläge werden dabei abgelehnt. Noch am selben Tag informiert der Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon den Gemeinderat darüber, „die für ihre Exzellenz bekannte Musikhochschule werde gestärkt aus der Debatte hervorgehen“ (Badische Zeitung vom 16. Juli). Am 17. Juli wird das Eckpunktepapier bekannt gegeben. Als abzulehnende Varianten werden darin einerseits die Empfehlungen des Rechnungshofs, andererseits die Schließung eines Standortes (genannt werden Trossingen und Mannheim) angeführt.

Jazz und Pop in Mannheim

Nicht nur die Hochschulen Mannheim und Trossingen fühlten sich anschließend von den Ministeriumsplänen überrumpelt. Auch ein Mitglied der Expertengruppe, die vom Ministerium zu Kronzeugen ihres Konzeptes erklärt worden war, distanzierte sich einige Tage später davon: „Niemals“ habe er empfohlen, „einen Jazz-Studiengang – weder den in Stuttgart, noch den in Mannheim – zu schließen“, so der Saarbrücker Jazzprofessor Georg Ruby. Das drohende Aus für den traditionsreichen Stuttgarter Jazzstudiengang hatte zuvor heftige Proteste bei Studierenden, Lehrenden und Fachleuten ausgelöst. In der Hochschulleitung scheint man dies als Opfer für die ansonsten weitgehende Schonung in Kauf zu nehmen: „Die Standortfrage ist meines Erachtens nicht entscheidend, viel wichtiger ist die künstlerische Qualität der Ausbildung. Zu sagen, wir in Stuttgart können alles am besten, deshalb kommt alles zu uns – das ist sicher kein sinnvoller Ausgangspunkt für Gespräche.“ Der Stuttgarter Prorektor Matthias Hermann sieht „mit den Hochschulen Mannheim und Stuttgart sowie der Popakademie als Kreativpool“ die Möglichkeit, in Baden-Württemberg ein „Äquivalent zu den großen Hochschulen in Luzern, Köln und Berlin“ zu bieten. Dies sei auch bei den Gesprächen der Hochschulen mit den Experten im Ministerium die einhellige Meinung gewesen und diese werde „von vielen Kolleginnen und Kollegen“ an der Stuttgarter Hochschule getragen. „In der Jazz­abteilung“, so Hermann im nmz-Gespräch weiter, „ist natürlich der Blick auf die Vernetzung in die lokale Szene wichtig, deshalb beäugt man den Vorgang sehr kritisch, der ja nicht morgen kommt.“ Für Rudolf Meister, an dessen Mannheimer Hochschule die Jazz/Pop-Studiengänge des Landes zusammengelegt werden sollen, kommt indes eine „feindliche Übernahme“ nicht in Frage. Angesprochen auf die Fusion mit der Popakademie zeigte er sich überrascht: „Zum ersten Mal habe ich davon am Montag (15.7., Anm. der Red.) von Ministerin Bauer gehört. Es gab bisher keine Abstimmung und auch vom Ministerium noch keine Vorschläge, wie das konkret aussehen sollte.“ (Siehe dazu auch den Artikel auf Seite 19 der beiliegenden JazzZeitung.)

Von den Studienplatzkürzungen wären in Mannheim unter anderem das Netzwerk „Amadé“ zur Frühförderung musikalisch hochbegabter Jugendlicher und die Orchesterakademie Rhein-Neckar betroffen, die in der kürzlich von der Hochschulrektorenkonferenz veröffentlichten Broschüre (im Rahmen des Projektes „nexus – Konzepte und gute Praxis für Studium und Lehre“) noch als Best-Practice-Modell hervorgehoben wird. Mitte August teilte Theresia Bauer dem Mannheimer Morgen mit, es sei nunmehr ge­plant, dort nicht nur die Schulmusik und die Orchesterausbildung, sondern sämtliche klassischen Studienplätze zu streichen. Von den bisher von Pop­akademie und Hochschule bereitgestellten 960 Studienplätzen blieben 520 übrig. Für den 30. August kündigte die Ministerin einen Besuch an, um ihre Pläne zu erläutern.

„Bespaßung der ländlichen Region“

Trossingen – in Stadt und Region hatte sich schnell erheblicher Widerstand formiert – stattete Theresia Bauer diesen Besuch bereits am 2. August ab, wo sie sich im überfüllten Kesselhaus den kritischen Fragen der Betroffenen stellte. Auf Nachfrage eines Journalisten beim anschließenden Pressegespräch machte das Ministerium außerdem eine Konzeptskizze für die Musikhochschulakademie öffentlich, die neben den Schwerpunkten Alte Musik und Elementare Musikpädagogik in Trossingen etabliert werden soll. Diese sieht eine von einem öffentlich-rechtlichen Zweckverband getragene Einrichtung mit vier, auch im laufenden Semester angebotenen Schwerpunkten vor: Meisterklassen und Kammermusikprojekte (letztere nach dem Vorbild der „Villa Musica Rheinland-Pfalz“), Proben und Arbeitsphasen von Hochschulensembles, Blockunterricht in Ergänzungsfächern sowie ein Zentrum für Historische Aufführungspraxis. Als weitere Möglichkeiten benennt die Skizze die Bildung von Ensembles (Barockorches­ter, Neue Musik, Crossover, Weltmusik oder ­A-Cappella-Vokalmusik), Projekte in den Bereichen improvisierte Musik, Tanz/Rhythmik/Bewegung sowie eine Zusammenarbeit mit der Laienmusik. Den Landeszuschuss für die Akademie setzt das Papier mit rund einer Millionen Euro an.

In einer ersten Stellungnahme gab die Trossinger Hochschulleitung zu bedenken, dass viele Aspekte des Konzeptpapiers durch eigene Programme bereits bestünden (Liedakademie, Open Chamber Project, Internationales Atelier für Alte Musik). „All dies teilen wir gerne mit den Nachbarhochschulen in Baden-Württemberg“, so das Statement, „dazu braucht es keine teure Akademie, ein Telefonanruf würde genügen“. Man müsse sich außerdem fragen, „ob solch ein Konzept, das neben entsprechenden Umbauten erhebliche Betriebskosten erfordert, angesichts der Notwendigkeit von Einsparungen das richtige Signal gibt“.

In Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart sieht man einer möglichen Akademie freudig entgegen. Matthias Hermann etwa sagte der nmz, er „fände es phänomenal, wenn es einen solchen Ort geben könnte, bestückt von allen Hochschulen, das wäre ein Exzellenzmerkmal. Die Arbeit in der Akademie muss in allen Studienplänen entsprechend mit Credits und Modulen verankert sein.“ Die Trossinger Hochschulrektorin Elisabeth Gutjahr spricht von einer „Provokation“, wenn Trossingen als „Vollhochschule“ abgeschafft, gleichzeitig aber eine „kostspielige Akademie für die anderen Hochschulen als zusätzliches Exzellenzprojekt“ begründet würde. Wenn es gelänge, die Angebote in den Prüfungsordnungen so zu verankern und hochschulübergreifend zu koordinieren, dass auswärtige Studierende wirklich während des Semes­ters immer wieder blockweise in Trossingen wären, würde ein Studienplatz in Freiburg oder Stuttgart noch teurer, so Gutjahr weiter, die nun auf die von Ministerin Bauer bei ihrem Besuch angekündigte „Phase des Dialogs“ hofft.

Für die vom Ministerium vorgesehene Konzentration der Bereiche Alte Musik (in Trossingen seit 1992 verankert) und Elementare Musikpädagogik (EMP) plant die Hochschule, die bisher den Studiengang „Music & Movement“ mit einem Schwerpunkt auf Rhythmik anbietet, die Einsetzung einer Expertenkommission. Wie Elisabeth Gutjahr mitteilte, sollen Fachleute im September ihre Einschätzungen und Empfehlungen unter anderem für die fachliche Ausrichtung und die personelle Ausstattung einer solchen Schwerpunktsetzung in einem Eckpunktepapier formulieren. Dieses soll dann als Diskussionsgrundlage für den Hochschulrat dienen und auch dem Ministerium zur Verfügung gestellt werden.

Eine Konzentration in Sachen EMP (siehe hierzu auch Barbara Stillers Artikel auf Seite 30) würde nach Einschätzung des Mannheimer Professors Elias Betz unter anderem bedeuten, dass gewachsene Strukturen, so etwa die Netzwerke, die die Mannheimer Hochschule mit Musikschulen und allgemein bildenden Schulen, auch in Hessen und Rheinland-Pfalz, gebildet hätte, zerstört würden. Ähnliches dürfte für die regionale Verankerung der Trossinger Hochschule insgesamt gelten. Auf diese besondere Bedeutung im ländlichen Raum angesprochen, hatte sich beim finalen Workshop am 15. Juli ein Ministeriumsmitarbeiter wie folgt geäußert: „Das Ministerium ist nicht für die Bespaßung der ländlichen Region zuständig.“ Dem schloss sich zwei Tage später die SWR-Redakteurin Wibke Gerking an. Nachdem die Sendung „SWR Cluster“ die ganze Woche über zum Thema berichtet hatte, kommentierte sie: „Im Wissenschaftsministerium scheint doch einiger Sachverstand aufgewandt worden zu sein (…). Es war mutig einen anderen, klügeren, aber auch härteren Weg vorzuschlagen (als der Landesrechnungshof, Anm. nmz-Red). Was Trossingen betrifft, wäre es ehrlicher, diesen Standort aufzugeben, statt ihn zu einer Rumpfhochschule zudegradieren und langsam ausbluten zu lassen. So oder so wäre die geplante Umstrukturierung ein harter Schlag für die Regionen Mannheim und Trossingen, aber trotzdem ist es besser, wenige exzellente Hochschulen zu haben als viele mittelmäßige. Zumal Musikhochschulen schließlich und endlich nicht dazu da sind, die Regionen kulturell aufzuwerten, sondern um Musiker auszubilden.“

Die drei „Vollhochschulen“

Den sich abzeichnenden Umbau der baden-württembergischen Musikhochschullandschaft sieht der Freiburger Rektor Rüdiger Nolte auch historisch gerechtfertigt: „Geschichte und Tradition spielen doch auch eine Rolle. Es gibt zwei Stammhochschulen in Baden-Württemberg, nämlich Stuttgart und Freiburg. Das sind die Landeshochschulen, die es, entsprechend ausgestattet, zuerst gegeben hat.“ (Tatsächlich wurden Ausbildungsgänge verschiedener Musikhochschulen bereits 1944, also zwei Jahre vor der Freiburger Gründung, zum „Staatlichen Hochschulinstitut für Musikerziehung an der Universität Heidelberg“ mit Sitz in Trossingen zusammengefasst.) Die ablehnende Haltung zur Empfehlung des Landesrechnungshofes begründet Nolte anspielungsreich: „Diese sieht im Sinne einer Vergemeinschaftung lineare Kürzungen vor, das heißt, es werden alle auf gleiches Niveau gebracht: durch eine Anhebung in Trossingen auf der einen und extreme Kürzungen auf der anderen Seite, unter anderem in Freiburg. Das wäre der Kahlschlag, der kaum kommuniziert wird. Bei uns würde das eine Kürzung des Haushalts um gut eine Millionen Euro und über den Fakt einer quantitativen Kürzung hinaus ein verheerendes Eingreifen in unsere Strukturen bedeuten. Anders als in Mannheim und Trossingen sähe das in Stuttgart und Karlsruhe ähnlich aus. Die angebliche Gerechtigkeit dieser Kürzungs-Empfehlung bedeutete als Rasenmäherprinzip in Wirklichkeit die Zerstörung gewachsener Musikhochschul-Exzellenz.“ Was die zu vereinbarenden Profilbildungen betrifft, so haben die nach dem Konzept des MWK verbleibenden „Vollhochschulen“ Gespräche zu Beginn des Wintersemesters angekündigt. Gegenüber der nmz bestätigten deren Leitungen, dass man sich vorab auf Eckpunkte zu den Bereichen Komposition, elektronische Musik, Sprecherziehung, Orgel und Liedgestaltung geeinigt habe.

Nachtrag: Kurz vor Drucklegung  erreichten uns Antworten des baden-württembergischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst auf neuerlich gestellte Fragen. Zum Akademiekonzept heißt es dort: „Die Grundidee ist im Ministerium im Dialog mit den Musikhochschulen Karlsruhe, Freiburg und Stuttgart entstanden.“ Im vollen Wortlaut veröffentlichen wir den Text in der nächsten Ausgabe.

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