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Moritz Eggert. Foto: Juan Martin Koch

Moritz Eggert.

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Clara würde sich schämen

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Absolute Beginners 2025/02
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Wenn diese Zeilen veröffentlicht werden, hat die angekündigte „Informationsveranstaltung zur E-Musik-Reform“ der GEMA am 23. Januar stattgefunden. Hier wurde ein 3-Jahres-Plan vorgestellt, der einen grundsätzlichen Umbau der E-Musik-Abrechnung und des E-Musik-Wertungsverfahrens einleiten soll. „Reform“ heißt meistens, dass etwas gekürzt wird (was man beispielhaft an den Reformen im ÖRR sehen kann), daher ist die Angst in der Szene groß. In den letzten Monaten hat sich auch eine zunehmende Unzufriedenheit über die Kommunikation der GEMA in dieser Sache manifestiert. Warum? Im Vorfeld waren E-Komponierende aufgefordert worden, Reformvorschläge zu machen. Im Umfeld dieser Vorschläge waren viele Fragen zur E-Abrechnung aufgetaucht, die von der GEMA nicht beantwortet wurden. Hier taucht die Frage auf, inwieweit eine Verwertungsgesellschaft, die kein anonymer Konzern ist, sondern uns Urheberinnen und Urhebern gehört, überhaupt eine solche Geheimniskrämerei betreiben darf.

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Als Komponierende sind wir alle auf die GEMA angewiesen. Dass sie wichtig für den Erhalt von Musik sein soll, die vornehmlich für eine künstlerische und nicht für eine kommerzielle Verwertung komponiert wird, war im Sinne ihrer Gründer. Nun hat der einst nützliche Begriff „E-Musik“ über die Jahre sehr an Genauigkeit verloren. Kein E-Komponierender würde bestreiten, dass der Begriff anders gefasst werden könnte, als es in der Vergangenheit gehandhabt wurde. Die neue Reform geht aber weiter – sie will die bisher inhärent im System der Wertung eingebaute Kulturförderung abschaffen und zu einer Art Fonds umwandeln, der frei verteilt werden kann. Das gäbe der GEMA wesentlich mehr Macht als bisher – sie würde zu einem Player der Kulturszene werden.

Das ist tatsächlich nur auf den ersten Blick so gut, wie es klingt. Eine der großen Stärken des alten Systems ist nämlich, dass es fördert, ohne ästhetische Kriterien bemühen zu müssen. Nun wird es eher zu „Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen“. Ist es wirklich die Aufgabe einer Verwertungsgesellschaft, zu entscheiden, was „in“ und was „out“ ist, was „gehoben“ und was „gewöhnlich“ ist, sowohl in anspruchsvoller als auch populärer Musik? Die Frage, was gefördert wird und was nicht, wäre dann in der Hand von zahllosen Funktionären und Gremien, was für „U“ übrigens genauso problematisch wäre wie für „E“. Zudem erzeugt es eine auch rechtlich problematische Situation, spätestens dann, wenn die GEMA Konzerte fördert, von deren Tantiemen sie wieder selbst profitiert (dass dies bei der französischen SACEM exakt so ist, sollte nicht unbedingt Vorbild sein). 

Ganz besonders problematisch aber wird die anstehende Reform für die angehenden jungen Komponierenden. Durch den drohenden Wegfall einer speziellen E-Musikabrechnung und einer Umwandlung in Inkasso wird jedes Konzert mit geringem bis keinem Ticketverkauf in einer Musikhochschule oder bei einem Neue-Musik-Festival zu einem Nullsummengeschäft für die Urheber. Wie in Zukunft junge E-Komponierende – die meistens ausschließlich solche Konzerte haben – jemals die Hürde zu einer ordentlichen Mitgliedschaft überwinden werden (nur dann sind sie voll stimmberechtigt) bleibt eine offene Frage, die die GEMA bisher nicht beantwortet. Es droht also eine abzusehende komplette Marginalisierung der E-Musik. Wir dürfen nicht vergessen – E-Musik ist nie Kommerz – sie dient dem Experiment und der Erforschung von neuen Ästhetiken und neuen Möglichkeiten von Musik. Was an einer Musikhochschule oder einem Konservatorium unterrichtet wird, dient auch dem Erhalt eines wichtigen kulturellen Erbes, nämlich der Fähigkeit, auf gehobenem Niveau Noten lesen, schreiben und erfinden zu können. Das sind spezialisierte Studien von großer Komplexität, in die junge Menschen Jahrzehnte von Kindesalter an investieren müssen. Dies mit den Mitteln einer Verwertungsgesellschaft zu fördern ist fraglos Förderung von Kultur und Bildung, die zunehmend unter Beschuss von populistischen Kräften sind. Hier muss die GEMA dagegenhalten, nicht nachgeben. Die Förderung der E-Musik in die Tonne zu kippen, hieße unsere gesamte Musikgeschichte zu verraten. Oder anders gesagt: Sowohl Clara Schumann als auch Bach würden sich für die heutige GEMA schämen.

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