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Cluster 2012/02 - 1

Untertitel
Kannibalismus
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Es gab einmal eine Zeit, da galten so genannte Raubkopierer auf den Schulhöfen als das Feindbild der Musikkulturentwicklung. Später war es die sogenannte „Tauschbörse“ im Internet, die den Untergang herbeiführen muss­te. Die bösen Menschen irgendwo im Lande, die es nie gelernt hatten, kulturelle Arbeit wertzuschätzen. Mitnehm- und Bedienkultur.

Wie man heute weiß, zieht sich das durch die gesamte Gesellschaft, hinein bis in die höchsten politischen Ämter. Grundsätzlich aber gilt: Die Kultur ist Opfer! 

Neuere Fälle machen jetzt deutlich: Die Kultur kannibalisiert sich sogar selbst. Einzelne Künstler haben offenbar Post von Anwälten zweier sehr großer sogenannter „seriöser“ Zeitungen erhalten. Darin werden sie abgemahnt, es zu unterlassen, Artikel, die über sie in diesen Zeitungen erschienen sind, ohne Genehmigung der Verlage für ihre Webseiten zu benutzen. Keine Lappalie. In einem Fall beliefen sich die Kosten all­incl. auf 1.400 Euro – und das war nicht die Website eines „großen“ Komponisten oder Star-Dirigenten. Ein Haufen Holz für kopiertes bedrucktes Holz. Das scheint offenbar alles mit rechten Dingen zugegangen zu sein. 

Ja, wie jetzt. Die sogenannten „Leuchttürme“ moralisch integeren Journalismus wie die FAZ und SZ outen sich jetzt als finanzielle Entwicklungshelfer für die offenbar der Verarmung zustrebenden Zunft der Abmahnanwälte. Hätte es nicht auch ein einfacher Brief getan, in dem man den Künstler höflich darum bittet, dieses schmarotzende Verhalten aufzugeben und gegebenenfalls ein Ausfallhonorar in angemessener Höhe zu zahlen. Redet ihr nur noch über eure Anwälte, geht‘s euch so schlecht, habt ihr sämtliche Maßstäbe verloren? Und ihr, liebe betroffene Künstler, die ihr selbst verschiedenen Verwertungsgesellschaften, habt ihr den Respekt vor geistigem Eigentum verloren, wenn es nicht gerade euer eigenes ist; da versteht ihr doch auch keinen Spaß, oder? Wie dumm und blöde kann man denn nur sein? Raubkopierer! 

Die hier rechtlich erzeugte Kluft zwischen Kunst und Kritik ist kontraproduktiv. Kultur trifft auf Kultur und irgendwie klingt es nur noch hohl.

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