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Cluster 2012/03

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Zur Quelle hin
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Es könnte gerade so aussehen, als ob Deutschland im Schlummerschlaf liegt. Das alte etwas chaotische Rumwuseln der letzten Jahrhunderte hat uns zwar einige der besten Musikstücke aller Zeiten beschert – und zwar durch alle Gattungen hindurch, auch mit manch böser ästhetischer Auseinandersetzung –, doch alles verlief sowohl mit Schmerzen wie mit Freude auf einem Niveau, von dem man heute noch zehrt. Amateure mit professionellem Handwerk beherrschten die Szene.

Heute dagegen leben wir im reinen Papierkrieg der Förder- und Evaluationsmaßnahmen. Hinter Schreibtischen machen Manager wie Politiker sich an die nutzlose Arbeit, „Rahmenbedingungen“ zu „verbessern“. Man redet viel. Es gibt eine Jazzdebatte über Mindestlöhne für Musiker, es gibt Streit ums Geld wegen musikalischer Verwertung in Internet und Kopierern. Dubiose Handelsabkommen wie ACTA treiben Menschen auf die Straße. Der Rundfunk leidet schon mal vorweg wegen Einsparungsnotwendigkeiten in zehn Jahren. Profis allüberall, wohin man auch sieht. Die Welt hat sich, scheint’s, komplett professionalisiert. Musik ist Beiwerk geworden. Zur Beruhigung für den dummen Rest gibt es hunderte von Fortbildungen für Kunst- und Musikerzieher, damit zum Beispiel kein Kind auf der Welt mehr zu einer verstimmten Gitarre singen muss. Hauptsache alles sitzt korrekt, egal, was. Das treibt längst schönste Blüten von der Gebärmutter bis zur Wiege und es versöhnt die postbürgerlichen Bildungsklempner mit ihren Werterhetorik-Gebeten. 

Im Grunde wissen es ja alle: Das mit dem Stromschwimmen ist auf die Dauer zwar leicht, aber es erzeugt nur gepflegte Langeweile und schlimmer noch, Opportunisten allerorts. Janis Joplin, John Lennon und John Cage mit den heutigen Methoden „gecoacht“ und uns wäre viel musikalisch-künstlerisches Glück erspart geblieben.

Die Kunst wird nach wie vor von den Amateuren auf die ästhetische Spitze getrieben. Sie findet man aber nicht im Radio, nicht auf Festivals, nicht im TV und so. Die muss man sich weithin ertrüffeln an den Ufern von Wassern, die zur Quelle hin fließen.

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