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Denkfehler

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Die Veränderung der Rundfunklandschaft hin zu lockeren magazinartigen Darbietungsformen geht mit der Argumentation gewandelter Hörgewohnheiten einher. Radio gehört würde heute vornehmlich im Auto auf dem Weg zur Arbeit, die durchschnittliche Einschaltzeit betrage demnach hochgerechnet zirka 15 bis 30 Minuten. Also habe in solcher Spanne eine Sinfonie, ein Kammermusikwerk oder auch eine Kantate keinen Platz.

Die Lösung ist, will man nicht einen totalen klassischen Kahlschlag betreiben (was der nächste Schritt sein dürfte, der teilweise schon eingeleitet wird), einen einzigen Satz aus dem Werk zu spielen. Dazwischen liegt Plauderei auf meist verbindlich sich anbiederndem niedrigen Niveau. Die barocken Allerweltsnudeln zwischen Locatelli, Albinoni und Telemann bilden den beliebig knetbaren Kitt.

Auf die Gegenfrage, warum man nicht doch eine ganze Sinfonie spiele, die ja eine künstlerische Einheit darstelle, wird geantwortet, dass der obige Autofahrer ja dann nur einen Satz daraus hören könnte. Hier überholt also der Beelzebub Rundfunkmacher den Teufel Hörverhalten von rechts. Man zerschlägt das Ganze, weil es von den Hörbedingungen ohnehin meist zerschlagen wird. Sollte sich bei nächsten Erhebungen herausstellen, dass Radio in erster Linie im Bad beim Zähneputzen gehört wird – die Innung der Zahnärzte empfiehlt hierfür fünf Minuten –, dann stünde nach dieser Logik eine weitere Verkürzungswelle bevor. Die in den Rundfunkarchiven angelegten Dateien für Füller von ein bis fünf Minuten würden auf einmal eine ungeahnte Priorität in den Köpfen der administrativen Planer einnehmen.

Mehreres daran ist falsch. Zuerst der Glaube, es dem Hörer recht zu machen. Zugrunde liegt eine Fast-Food-Mentalität, ein falsch verstandenes Kettenbewusstsein, das sich nach dem schwächsten Glied richtet. Wer wenig Zeit zum Hören hat, soll durch gestückelt abgekürzte Zeiten des Angebots bedient werden. Was aber, so muss man sich fragen, ist schlimmer: Wenn der Hörer das Gerät während einer Schubert-Sinfonie aus privaten Zeitgründen abschalten muss, oder wenn das Stück vom Sender selbst abgeschaltet wird?

Im ersteren Fall mag der Hörer der privaten Notwendigkeit die Schuld geben, er weiß vom Ganzen, dessen Erleben ihm jetzt nicht möglich ist. Im zweiten Fall aber wird der Hörer von vornherein entmündigt – bestenfalls mit dem Gefühl, dass sein Teilhören mit der Bruchstücklandschaft im Rundfunk leichter korrespondiert – aber ist das ein gutes, ein anzustrebendes Gefühl? Wohl kaum. Weit schwerer wiegt seine administrative Bevormundung, durch die sich gerade bei den Hörern, die sich der ernster zu nehmenden Musik erst nähern (und auf die kommt es ja angeblich besonders an), ein verzerrtes, fleckerlteppichartiges Bild des Musik-Vernehmens ausbildet.

Hand in Hand gehen im gut Gemeinten aber schlecht Gedachten weitere Niveauabsenkungen. Zwischen der Patchwork-Fläche vorgeblichen Easy-Listenings bekommt er locker eingestreute Hinweise auf Veranstaltungen oder auch mal eine Kritik von der Opernpremiere des Vorabends mit.

Sucht man aber bewusst solche Serviceangebote oder Rezensionen (Stichwort: Auffindbarkeit), dann ist man allein gelassen. Denn ob die Lulu-Kritik zwischen einem Stamitz-Allegro und einer Händel-Hornpipe steht oder erst eine Stunde später zwischen Dittersdorf und Reicha (oder gar nicht), das weiß man nicht. Das was man finden will, findet man nicht, das was man ganz hören will (auch solche Hörer gibt es noch!), hört man nicht. Fazit: Das, was man einschalten will, schaltet man erst gar nicht ein.

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