Ein Riss geht durchs Land: Gutmenschen contra Angsthasen, Willkommens-Zivilgesellschaft contra Flüchtlings-Vertreiber. Während Peter Maffay, selbst Migrant, mahnend den Knödel-Bariton wider die Asylantenflut erhebt, preist Daniel Barenboim das Kanzlerinnenwort „Wir schaffen das“, und Grönemeyer samt Sportfreunden Stiller organisieren in knapper Zweiwochenfrist ein Dankeschön-Konzert vor Vierzigtausend für Münchens freiwillige Helfer. [Vorabdruck aus der nmz 11/2015]
Damit geriet das Flüchtlingsthema aktuell fast zwangsläufig auf die Agenda der Generalversammlung des Deutschen Musikrates (DMR). Allein: Was kann die zarte holde Muse ausrichten in einem Szenario der Grausamkeit, der elementaren Not, der Hartleibigkeit egozentrischer Regierungschefs in einem zersplitternden Europa? Spielt ihre Stimme im von ökonomischen Prinzipien dirigierten Konzert unserer globalen und nationalen Big Player unverdienterweise nicht schon allzu lang erste Lage Bratsche?
So hatte man als externe Stimme den Arzt Peter Hauber eingeladen, Chef von IPPNW-Concerts und Mitglied der mit dem UNESCO-Friedenspreis und dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges. Seine Non-Profit Organisation veranstaltet Konzerte und CD-Produktionen mit namhaften Orchestern. Der Erlös kommt notleidenden Menschen zugute: den Opfern von Kriegen, Industrie- und Naturkatastrophen, atomaren Unglücken und jetzt auch Flüchtlingen. Hauber plädierte, möglicherweise nicht optimal in Sachen „Musikland Deutschland“ informiert, für eine Adaption des venezolanischen „Sistema“ zugunsten der über unsere Grenzen getriebenen Kinder und Jugendlichen. Bot das gewiss auch nicht die Patentlösung, so war sein Appell für ein „Think Big“ gerade in Sachen Finanzierung nötiger und möglicher Maßnahmen des Musikrates genau richtig adressiert und provozierte Präsident Krüger zu dem Hinweis, er sei bereits mit Ministerien „im Gespräch“…
Einen guten Schritt weiter präsentierte sich das Musikinformationszentrum (MIZ) des DMR. Margot Wallscheid hatte in Kooperation mit dem Berliner Büro bereits ein üppiges Internet-Angebot installiert mit Kontaktadressen, Beispielen für gelungene oder vielversprechende Musik-Initiativen und sonstigen Best-Practice-Sammlungen (www.miz.org). Anreicherung und Ergänzung durch alle musikalischen Institutionen herzlich erwünscht.
Somit wurde – gewissermaßen aus der Not geboren – ein konstruktiver Bindebogen geschlagen zum einst als Zentralthema geplanten „4. Berliner Appell: Schöne neue Medienwelt – Chance für die Kreativen?“ Im Zentrum der intensiven Diskussion stand die prekäre Situation der Künstler im Fegefeuer von Google, Amazon, Apple & Co. Mit Ernst Elitz und Enjott Schneider standen sich Verfechter und Kritiker des Netzes hart gegenüber. Dass das Web nicht nur des Teufels Machwerk ist, bewies das MIZ. Allerdings ist das Präsidium des Musikrates jetzt dringlich aufgefordert, selbstbewusst für eine üppige materielle Ausstattung und Vernetzung seiner Hilfs- und Integrationsmaßnahmen zu sorgen. Damit der Aufruf „Willkommen in Deutschland: Musik macht Heimat!“ keine Sonntags-Floskel bleibt.