Wenn heute einer der renommiertesten unter den deutschen Musikbegabtenforschern, Hans Günther Bastian, in der Aprilausgabe der nmz leitartikelgewandt über die unter seiner Leitung durchgeführte Langzeitstudie argumentiert, dass diese seine Berliner Studie der letzten sechs bis acht Jahre zwar keine Garantiegebung dafür erbringen konnte, dass Musik intelligent(er) mache, jedoch empirisch „signifikante“ Forschungsergebnisse zu repräsentieren habe, die eine höhere Intelligenz (IQ-Wert) bei einer Modellgruppe von Berliner Schülern mit erweitertem Musikunterricht bilanzieren konnte gegenüber einer Kontrollgruppe von Schülern ohne erweiterten Musikunterricht, so mutet das nicht nur auf den ersten Blick an wie ein alberner Eiertanz für nichts und wieder nichts und scheint schlicht und einfach Schnee von gestern zu sein – anscheinend nichts von dem, was man nicht schon längstens wusste. Zugegeben offenbaren derart Forscher einer durchaus kritischen Öffentlichkeit auf höchst interessante Weise, wie gering es um deren qualitative Mittel letztendlich bestellt ist, die verantwortlichen Kulturpolitiker von den Ergebnissen ihrer Erhebungen nachhaltig zu überzeugen, um sie substanziell zu bewegen.
Leserbrief zum Leitartikel von Hans Günther Bastian, nmz 4/01, S. 1 Wenn heute einer der renommiertesten unter den deutschen Musikbegabtenforschern, Hans Günther Bastian, in der Aprilausgabe der nmz leitartikelgewandt über die unter seiner Leitung durchgeführte Langzeitstudie argumentiert, dass diese seine Berliner Studie der letzten sechs bis acht Jahre zwar keine Garantiegebung dafür erbringen konnte, dass Musik intelligent(er) mache, jedoch empirisch „signifikante“ Forschungsergebnisse zu repräsentieren habe, die eine höhere Intelligenz (IQ-Wert) bei einer Modellgruppe von Berliner Schülern mit erweitertem Musikunterricht bilanzieren konnte gegenüber einer Kontrollgruppe von Schülern ohne erweiterten Musikunterricht, so mutet das nicht nur auf den ersten Blick an wie ein alberner Eiertanz für nichts und wieder nichts und scheint schlicht und einfach Schnee von gestern zu sein – anscheinend nichts von dem, was man nicht schon längstens wusste. Zugegeben offenbaren derart Forscher einer durchaus kritischen Öffentlichkeit auf höchst interessante Weise, wie gering es um deren qualitative Mittel letztendlich bestellt ist, die verantwortlichen Kulturpolitiker von den Ergebnissen ihrer Erhebungen nachhaltig zu überzeugen, um sie substanziell zu bewegen. Landauf landab wird der Musikunterricht jedoch von Kultusministerien gekürzt und alles Schönreden (auch das der Musikbegabtenforscher) offenbart sich ungeschminkt als reinstes Lippenbekenntnis. Ist es nicht ein Alibikonzept, in dem die Höchstleistung auf der einen Seite glorifiziert wird, auf der anderen Seite selbst elementare Musikerziehung in zynischer Art und Weise den gängigen Marktinteressen geopfert wird?Solange das nicht Alibiforschung ist, können Musiklehrer/-innen für die angeblich durch diese Erhebung von Bastian neu ausgelöste öffentliche Diskussion kaum dankbar sein, gibt es doch einige kritische Zwischenfragen bezüglich der politischen Langzeitwirkung eines solchen testergebnisbezogenen Veröffentlichungsverfahrens der „Bastian’schen Berliner Langzeitstudie“.
Ungeachtet dessen, dass zu einer kulturpolitischen Durchsetzung der Bastian’schen „Thesen“ über „optimale Förderung durch Musik“ (was heißt schon „optimal“ – sicherlich ein wissenschaftlich vager Begriff), Hans Günther Bastian die nachdrücklichste Unterstützung aus den eigenen Reihen der Lehrerschaft vonnöten hat, gilt es nichtsdestotrotz, dessen bilanzierte Forschungsergebnisse in der Diskussion, natürlich auch mit einem gehörigen Maß an Skepsis, konstruktiv in Frage zu stellen. Musikerzieher sollten meiner Meinung nach im Allgemeinen auf der Hut sein vor Musikbegabtenforschern (mit Politprominenz–Connections) und auch höchste Kritikmaßstäbe an diese richten. Unterschreiben wir argumentativ das kulturpolitische Vorhaben beziehungsweise die Studie von Hans Günther Bastian. Jedoch nur soweit, soweit sie realistisch reicht und effektiv der desaströsen Wirklichkeit unserer Musikkultur und deren Kulturpolitik entschieden entgegentritt, aber auch nur dann.
Die Langzeitstudien und empirischen Erhebungen jeglicher Forschungen dieser Art müssten heute ihre Glaubwürdigkeit innerhalb der eigenen musikpädagogisch-methodologisch beruflichen Reihen erhöht unter Beweis stellen, wenn sie sich berufliche Rückendeckung gegenüber dem mangelnden Verständnis- und Verantwortungsbewusstsein einer kulturell beflissen sich gebenden Politprominenz daraus zu erhoffen wünschen – Forschung als Selbstzweck oder sonstigen kommerziellen Marktzwecken dienend, wäre glatte Lüge und Zeitverschwendung (bezahlt oder nicht).
Eine glaubwürdige Erhebung und dessen Bilanzierungen müssen infolgedessen ein seltener Markstein werden und schließlich zu einer wahrhaft verbesserten wie neuen Entwicklung unseres Musikausbildungssystems beitragen. Doch wer kann das prüfen?
Wäre nicht jetzt schon längst ein musikpädagogisch intern verständiger Diskurs fällig, um einen ungedüngten, von Grund auf natürlichen Boden zurückzugewinnen, auf dem wir alle gerne stünden (auch Sie, Herr Bastian?). Kinder optimal mit Musik fördern, hieße dann die „Musik für Kinder“ zu fördern, beziehungsweise die dem Kind innewohnenden musikalischen Kräfte natürlich zu erwecken und deren Rahmenbedingungen für die Musik schlechthin zu fördern, um nicht zuletzt dadurch den musikalischen Menschen in uns Menschen nach außen hin verständlicher, nach innen hin verständiger zu machen. Packen wir’s an! Aber bitte: mit mehr Intelligenz!