Fast sah es so aus, als wollte das Bauhaus in Dessau mal selber in den politischen Ring steigen, um sich – befeuert von Zurufen sachsen-anhaltinischer Landes- und Parteienvertretern – eigenhändig eine Niederlage zuzufügen. Wochenlangen negativen Schlagzeilen über eine Konzert-Absage folgte zwar eine Entschuldigung, doch man blieb bei der Absage. Die antifaschistische Punk-Band „Feine Sahne Fischfilet“ darf nun im Anhaltinischen Theater auftreten, das zwischenzeitlich auch schon einmal abgesagt hatte.
Das Bauhaus läuft Gefahr, seinen weltweiten Ruf schwer zu beschädigen. Der beruht natürlich auf seiner 2019 vermutlich bejubelten 100-jährigen Geschichte, während der versucht wurde, auf volksnahe und zeitlos-moderne Weise Kunst und Handwerk zu verbinden. Den weltweiten Ruf vergrößert haben paradoxerweise aber auch immer Verbote und Verfolgung. 1933 retteten sich etliche Theoretiker und Architekten ins Ausland. Sie prägten Städte-Bilder von Tel Aviv oder Chicago. Walter Ulbrichts Formalismus-Fluch auf das Bauhaus wirkte von 1951 bis 1976 und erstickte einen Neubeginn der Bewegung nach der Befreiung in Weimar und Dessau.
Der Fluch sorgte immerhin für eine zweite Blüte im Westen, besonders durch die Hochschule für Gestaltung in Ulm. Ausgerechnet eine Konzertabsage an „Feine Sahne Fischfilet“ entwickelte sich für die 1994 gegründete Stiftung Bauhaus Dessau zum Skandal: Für die ist rechts und links offensichtlich identisch.
Dabei ist die Verbindung von Musik und Bauhaus ebenso traditionsreich wie verbotsgetrübt: Der Leipziger Radiohaus-Besitzer Isidor Thomas Brandes, der Anfang der 20er Jahre die noch heute programmbestimmenden Live-Musik-Übertragungen für den damals noch jungen Rundfunk ersann, pflegte beste Kontakte zu den Dessauer Künstlern und dem Leipziger Typografen Jan Tschichold. Die Programme und das Signet der „Brandes-Konzerte“ stammen von ihm. Isidor gelang die Flucht über Grenzen, seinen Vater Isaak brachten die Nazis in Auschwitz um.
Dieser kleine Diskurs will auch sagen, dass Jubiläumsfeierlichkeiten ohne Erinnerungen an die Geschichte sinnleer sind. Zunehmend drängen sich stattdessen Vergleiche mit dem Geschehenen in den Vordergrund: In Magdeburg, im Raum Halle, Dessau und Bitterfeld verzeichnen rechte Parteien und Gruppen ständig Zuwächse. In Sachsen-Anhalt ist jeder vierte Landtagsabgeordnete in der AfD, in Tröglitz trat der Bürgermeister Markus Nierth wegen ständiger Bedrohung seiner Familie, wegen brennender Autos und Nazi-Schmierereien zurück. Wo leben wir? Die politischen Entscheider verabschieden jämmerliche Beschlüsse, der Kultur wird der finanzielle Boden entzogen, wer Chancen anderswo erkennt, wandert ab.
Von all dem können „Feine Sahne Fischfilet“ aus Mecklenburg-Vorpommern dutzende Lieder singen. Sie tun es mit Wut, mitunter mit krachendem Punk, freilich mit deutlichen Ansagen gegen rechts. Zuletzt hat die Band um den Sänger Monchi Gorkow nach den Chemnitzer Nazi-Krawallen mit anderen Formationen fast 65.000 Menschen unter dem Motto „Wir sind mehr“ versammelt. Sind die, die da mehr sind, alle Anhänger des „Linksextremismus“, wie der Vorsitzende des Bauhaus-Stiftungsrates Rainer Robra (CDU) die Band einstufte? Robra ist zudem Sachsen-Anhalts für Kultur zuständiger Staatskanzleichef. Es heißt, der Fisch stinke vom Kopf her.
Die „Fischfilets“ und gleichgesinnte Kollegen sind derzeit die Einzigen, die den massiven Widerstand gegen die immer aggressiver auftretenden rechten Kräfte mobilisieren. Die neuen Nazis trauen sich – wie in Jamel bei Wismar vor drei Jahren – bei „Rock den Förster“, durch Brandsätze das Gehöft der Veranstalter, eine Autorin und ein Musiker, abzufackeln. Das Attentat ist nicht aufgeklärt, aber das Festival seither immens gewachsen. Nur wenigen würde wohl auffallen, wenn Diebe die braunen Schilder an der Autobahn zwischen Leipzig und Berlin mit dem Hinweis auf das Bauhaus klauten: Ein Museum der Zivilgesellschaft weniger? Nein. Wehrt Euch.
- Zum Foto: Sven Mandel / CC-BY-SA-4.0. Montage: Martin Hufner