Es ist das sogenannte Wort des Jahres: „POSTFAKTISCH“. Bedeutet, das Irreale, das Nicht-Feststellbare hat einen vorzüglichen gesellschaftlichen Wert bekommen. Wir befinden uns also im fröhlichen Aufbruch der Gegenaufklärung. Trump, Petri, die Bertelsmann-Stiftung, Gabriel, die Deutsche Bank und ähnliche Silberfische schwimmen in diesem Teich. Jetzt auch der Deutsche Musikrat? Das jedenfalls lässt eine kürzlich veröffentliche „Pressemitteilung“ vermuten. Sie ist angeblich mit dem Präsidium (ca. 19 wichtige Persönlichkeiten des Musiklebens – siehe www.musikrat.de ) abgeschmeckt, in der Realität aber wohl in einem kleinen Gremium, wobei man – wie mir Präsident Martin Maria Krüger übermittelte – die sogenannte „Generalversammlung“ bewusst aussparte - für gut befunden w0rden. Es folgt der „Text“:
Fuck you 1Falt
Das Präsidium des Deutschen Musikrates hat einstimmig den Forderungskatalog „Fuck you 1Falt. Musikalische Vielfalt ermöglichen und nutzbar machen“ verabschiedet. Mit dem Forderungskatalog reagiert der Deutsche Musikrat auf die aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen und fordert, dass die Musikalische Vielfalt für die gesellschaftliche Fortentwicklung stärker im öffentlichen und politischen Bewusstsein verankert wird. Das Positionspapier richtet sich mit sechs Kernforderungen an den Deutschen Bundestag, die Bundesregierung, den Bundesrat und die Dachvereinigungen der Kommunen und Länder.
Hierzu Prof. Martin Maria Krüger, Präsident des Deutschen Musikrates: „Durch unzureichende Rahmenbedingungen ist für viele Menschen in Deutschland der Reichtum unserer Musikalischen Vielfalt nicht im vollen Umfang zugänglich. Um die beispiellose Vielfalt des Musiklebens in Deutschland für alle erfahrbar zu machen, ist eine kontinuierliche und qualifizierte Regelförderung ebenso wichtig wie verbesserte Strukturen im urbanen und ländlichen Raum für die Amateurmusik und die öffentliche Musikförderung. Die drei Grundsäulen der UNESCO-Konvention ‚Kulturelle Vielfalt‘ verpflichten uns zu einem nachhaltig wirksamen Umgang mit kreativen Ressourcen. Der Deutsche Musikrat appelliert an die politischen Entscheider, Bildung und Kultur eine höhere Priorität einzuräumen. Bildung und Kultur sind das Fundament für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“ Berlin, 05. Dezember 2016
Spannend dann auch die sogenannte Resolution: (Sie ist angeblich von allen Präsidiumsmitgliedern abgesegnet, ich hab mit zweien gesprochen, die sie nicht kannten). Interessant auch die Überschrift, die sich in humpliger „Jugendsprache“ vermutlich an unter Zwanzigjährige Bundestagsabgeordnete anbiedert, die dann Gelder freimachen sollen…(oder an Dieter Gorny?):
An den Deutschen Bundestag, die Bundesregierung, den Bundesrat und die Dachvereinigungen der Kommunen und Länder
Fuck you1Falt
Musikalische Vielfalt ermöglichen und nutzbar machen
Sechs Forderungen des Deutschen Musikrates
- 350 Mio Euro zweckgebundene Bundesmittelals Ergänzungsfinanzierung für die musikalische Regelförderung Musikalische Bildung in Kita, allgemeinbildender Schule und Musikschule für jedes Kind über die gesamte Bildungszeit ermöglichen.
- Faire Vergütung und soziale Absicherung. Veränderte Beschäftigungsstrukturen hin zu vielseitigen Berufsbildern machen – ein Umdenken bei der Honorierung notwendig, um die Existenzen von professionell Tätigen in dem Feld zu sichern. Die Folgekosten des Prekariats sind zu hoch.
- Verbesserte Strukturen im urbanen und ländlichen Raum f ür die Amateurmusik. Helfen ermöglichen durch Entbürokratisierung und angemessene Abgeltung….
- Breitband für alle Urheber schützen, Datenautobahnbetreiber dem Gemeinwohl verpflichten und zügiger Ausbau des Datennetzes. Kulturelle Vielfaltbedingt Kommunikation.
- Einrichtung eines Fonds für bedrohte Einrichtungen in der öffentlichen Musikförderung in Höhe von 1 Mrd. Euro.
- Die kulturelle Vielfalt ist durch Kürzungen und Schließungen insbesondere im ländlichen Raum bedroht. Wahrung der Werte des Grundgesetzes. Musikalische Vielfalt erfahrbar machen als Teil des transkulturellen Dialoges, die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre nicht der Ökonomisierung unterwerfen und die Aufstockung des Musikfonds auf 3 Mio. zur Förderung der aktuellen Musik, die nicht zum Mainstream gehört.
Tja, toll, postfaktisch und afterrealistisch, da konsequent und semi-kontinent durchargumentiert. Was da gefordert wird, ist – reduziert auf Summen, durchaus akzeptabel. Einfach doof ist die argumentative Unterlage, die eher auf Bettnässen denn auf Nachdenken schließen lässt. So dämlich sind nicht mal Brunzhauser Kommunalpolitiker, um sich von diesem Geschwurbel überzeugen zu lassen. Wer sich noch die super-fuck-tische Begründung dieser Resolution zu Gemüte führen mag, sei auf das entsprechende pdf des DMR hingewiesen:
Da steht dann, dass man Begriffe wie Inklusion, Integration etc. nicht in den Mund oder woandershin nimmt, und weiteres stolpernd geröchelt formuliertes populistisches Anbiederungsgeschwätz…
Ein Jammer. Der Deutsche Musikrat bewegt sich mit solchem Möchtegern-Pathos weit in das Gebiet der Unglaubwürdigkeit.
Ein bisserl Mario Barth kritisieren und dann unter dessen Niveau zu argumentieren ist schlicht dämlich.
Theo Geißler