Sind Sie auch so eine „Was soll nur aus der Jugend werden“-Mimose? Prima. Dann justieren Sie mal Ihre Gesellschaftsantennen neu. Die richtige Frage muss nämlich heißen: „Was ist nur aus den Punks geworden?“ Sehen Sie sich Die Toten Hosen an.
Früher drehten die rotzbesoffen Videos in Kirchen („Eisgekühlter Bommerlunder“) und entweihten nicht nur den Altar, sondern gleich noch eine ganze Gemeinde in Bayern, heute brechen sie nach Konzerten. Also ein, nicht in den Tourbus. Und zwar in ein Dresdner Freibad. Außerhalb der Öffnungszeiten. Gewagt. Da schlottern einem schon die Knie! Wie es sich für richtige Punks gehört, hatten die Hosen vorher noch das Seepferdchen auf selbige genäht. Damit alles seine Ordnung hat. In Dresden.
Das Schlimme ist: die haben da wirklich gebadet. Man stelle sich nur vor, was die Sex Pistols in einem Freibad angerichtet hätten. Schutt und Asche. Das Sprungbecken wäre mit Wodka Sour geflutet worden. Aber Campino und seine Beckenrandschwimmer posten lieber ein Foto ihrer Dollerei. Wozu bei den Sex Pistols keiner mehr in der Lage gewesen wäre. Weil unabkömmlich (erhängt am Rettungsring, Chlor mit Koks verwechselt, vom Startblock ins leere Becken gesprungen).
Nun, die örtliche Volksvertretung, äh die Dresdner Bäder GmbH natürlich, versteht da „geen Spoß“. Hausfriedensbruch. Anzeige. Nü, da schwimmen aber jetzt nicht nur dem Schlagzeuger der Hosen die Felle davon. Dachte man. Aber der Punk von heute hat ja Kohle, schreibt einen Entschuldigungsbrief und legt eine 5.000-Euro-Spende bei und Gesülze obendrauf („…als Mitglied der Toten Hosen ist man immer noch auf das öffentliche Freibad angewiesen“). Klar, wenn der heimische Pool mit Olympiamaßen gerade von „Ein Euro Aufstockern“ gebohnert wird. Die Dresdner Bäder GmbH knickt freilich sofort ein und hält die Hand auf. Wie früher. Die Bonzen zahlen, die VEBs kassieren. Schluss mit lustig ist erst, wenn die dreifach- und alleinerziehende Mutter das Dreistundenticket um fünf Minuten überzieht und durch die Schranke huschen möchte: Schwimmbad-Detektiv. Polizei. Anzeige. Bußgeld. Hausverbot. Ein Glück, wer Punk ist.
Mal ehrlich, Campino. Was kommt als Nächstes? Klingelputzen in München-Bogenhausen? VERDAMMT, ICH HATTE FRÜHER ANGST VOR PUNKS. Berlin 1990. Studienfahrt. Überall Punks. Mit selbst behuften Piercings. Überall Bierdosen. Über die sie wie eine Büffelherde trampelten als wären sie CEO-Praktikanten, die heute barfuß und schüchtern über glühende Kohlen im Motivationsseminar schleichen und vom nicht mehr vermittelbaren Seminarleiter angebrüllt werden: „Jetzt reiß dich mal zusammen, du kleiner Idiot oder willst du noch drei Jahre die Alte vom Chef zum Salzwasserfloating fahren?“ Dazu Stiefel wie Munitionskisten. Also die Punks. Und verlauste Köter, die selten vom Besitzer zu unterscheiden waren. An jeder Ecke Berlins wurde ich fertig gemacht: „Hey, haste mal ‘ne Mark?“ Und ich hatte jede Menge. Während sie „Null Bock und No Future“ hatten. Und jetzt kommt Campino…