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Die Ein-Million-Kronen-Aida

Publikationsdatum
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nmz 2000/10 | Seite 4
49. Jahrgang | Oktober

Die Ein-Million-Kronen-Aida

Wie sie die Sache mit dem Elefanten gelöst haben, das haben sie bis zur Aufführung geheim gehalten, die Organisatoren und Mitwirkenden der „Nordland Musikfestuke” in der 40.000-Seelen-Stadt Bodö, nördlich des Polarkreises. Sie alle sind in irgendeiner Form involviert in ihr einwöchiges Musikfest, und jeder hat einen Bekannten oder Verwandten, der oder die auch bei der Aufführung von Verdis „Aida” beteiligt ist. „Aida”, das Prunkstück des Festivals! Seit 22 Jahren wurde die Oper nicht mehr in Norwegen aufgeführt. Der Elefant stellt in der Aufführungspraxis dieses Evergreens einen unausgesprochenen Knackpunkt dar. „Aida” ist längst ein Popspektakel für die Massen, weil die Massen es naturalistisch lieben, wenn Verrat und Liebe und wallende Arien wüten. Ob in Verona oder Schwerin oder sonstwo: 200 Komparsen müssen es schon sein auf der Bühne. Und wenn der Sand echt ist, muss eben auch der Elefant, auf dessen Rücken Radames zur Siegesfeier einzieht, ein lebendiger Dickhäuter sein. So entwickelte sich Aida mittlerweile zum Alptraum eines jeden Kulturetat-Verwalters, zum Multi-Millionenspiel.

Eine Millionen Kronen sind 25.000 Mark. Soviel hat die „Aida” bei den „Nordland Musikfestuke” 2000 in Bodö gekostet. Sänger, Musiker und Inszenierungsteam sind Profis, alle Mehrkosten darüberhinaus werden mit Herzblut bezahlt. Mama schminkt die Akteure, Papa baut die Bühne in der örtlichen Sporthalle auf, und die Kinder haben als Statisten wochenlang für ihren Tanz im Zimmer der Amneris geübt. Sand gibt es nicht, und der Elefant, der besteht aus einem liebevoll gebastelten Pappkopf, montiert auf ein türgroßes Gestell. Radames hält sich an den Pappohren fest. Die Siegesfeier, zirka 90 Personen drängen sich auf der Bühne, sieht aus wie die Inszenierung einer großen bunten Bonbonschachtel. Regisseurin Heidi Bruun Sörensen hat vor allem mit Licht- und Farbdramaturgie gearbeitet, musste sie, wie sie sagt, „immer mit dem Blick auf‘s Einfache”. Geld war knapp, Zeit war knapp, und noch bei der Generalprobe war die Bühne nicht fertig. Aber was für ein Fest ist daraus geworden, eine Popshow für jung und alt in Bodö und drumherum. Mit Inbrunst legen sich die Akteure ins Zeug, ein heimischer Touristenbus hat sie während der Overtüre an die Bühnenrampe gefahren, und die Grabpyramide ist ein einfaches Aluminiumgestell.

Der Unterhaltungs-Gewinn ergibt sich aus der Tatsache, dass das Monumentale eben nur nachgestellt, simuliert wird. Der „Blick auf’s Einfache”, das lokale Engagement und auch das dahinter stillschweigende „Wenn wir die Mittel hätten, würden wir ja…”, diese Mischung generiert eine Ästhetik der Entzückung, deren Unterhaltungsfaktor jede Bombastaufführung verspottet. Verdis Musik leidet keinesfalls da-runter. Im Gegenteil, die Abschwächung der Tragödie zu einem künstlich-bunten Reigen diverser Bühnen- gesten erscheint ihr durchaus angemessen.

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