Mitte August machte eine Erfolgsmeldung des Bundesverbands Musikindustrie (BVMI) die Runde durch die Medien: Nach über einem Jahrzehnt rückläufiger oder stagnierender Umsätze habe sich der deutsche Musikmarkt im ersten Halbjahr 2013 erstmals wieder positiv entwickelt. Die Rede ist von einem Plus von 1,5 Prozent auf 660 Millionen Euro. Bei der Vielzahl der digitalen und physischen Vertriebskanäle sticht die CD ins Auge, die noch immer rund zwei Drittel aller Umsätze generiert. Das erstaunt vor dem Hintergrund der Grabgesänge, die in den letzten Jahren angestimmt wurden und mit dem Aufkommen der Piratenpartei ein schrille Tonart annahmen.
So schnell kann die Zeit vergehen: Vor nicht allzu langer Zeit herrschte in den deutschen Medien helle Aufregung, als sich Netzaktivisten aller Couleur zu einer Partei zusammenschlossen und mit dem gewalttätigen Charme von jungen Siegfrieden verkündeten, nun sei die Zeit gekommen, mit der alten Ordnung aufzuräumen, die Musikindustrie zu zerschlagen und die Musik dem Konsumenten gratis zur Verfügung zu stellen. Die Konzerne hätten lange genug abgezockt. Doch wie so viele Netzgerüchte hat sich auch dieses nach anderthalb Jahren mehr oder weniger in heiße Luft aufgelöst. Zerzankt und desorganisiert laufen die digitalen Ego-Shooter dieser merkwürdigen Partei nach allen Richtungen davon. Und der Musikverkauf geht weiter, sogar noch besser als zuvor.
Aber eines ist klar: Die goldenen Zeiten der CD sind vorbei. Ihr Anteil am Gesamtumsatz nimmt kontinuierlich ab. Nicht vergessen darf man, dass sich der physische Verkauf von Musik seit 2002 weltweit fast halbiert hat. Doch ist dies nicht irgendwelchen Revoluzzerparolen zuzuschreiben, wenngleich das massenhafte, aber unpolitische Raubkopieren massive Umsatzeinbrüche verursachte, sondern der technologisch-industriellen Entwicklung selbst: Der Musikkonsum verlagert sich schrittweise ins Internet, Download und Streaming treten an die Stelle des physischen Verkaufs. Das weltweite Online-Geschäft machte zu Beginn dieses Jahres geschätzte 34 Prozent am Gesamtverkauf aus. In Deutschland beträgt es nach den neuen Zahlen erst knapp ein Viertel, Tendenz aber steigend.
Die Verlagerung ins Internet findet vor allem im Popbereich statt, denn das zumeist jugendliche Publikum hört die Musik mit Vorliebe über Handy oder MP3-Player. „Music Unlimited“, die Sony-Losung bei der Midem 2011 in Cannes, nimmt langsam Formen an. Cloud und mobile Geräte sorgen für eine Rundumversorgung des Musikfans, wann und wo auch immer. Da treten sogar Überwachungsängste in den Hintergrund. Und die unausweichliche Piraterie wird beherrschbar. Einerseits wird sie juristisch verfolgt, andererseits von den Firmen als Kollateralschaden in die Bilanzen eingepreist.
Langsamer spielt sich dieser Prozess im Klassikbereich ab, dessen Anteil am gesamten Musikmarkt stabil zwischen sieben und acht Prozent liegt. Das konservativere Verhalten hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass der Klassikhörer weniger auf Klangtapete setzt und die CD noch als ein kulturelles Produkt betrachtet, das er auch anfassen und betrachten möchte, gerade wenn es noch attraktiv verpackt ist. Ein starkes Verkaufsargument ist zudem ein Begleitheft, das interessante Informationen über Werke und Interpreten bereithält. Viele Klassiklabel halten deshalb an einer soliden redaktionellen Aufbereitung fest, selbst wenn das ins Geld geht. Die attraktive Gestaltung spricht sich herum und kann sich auf Dauer stabilisierend auf den Verkauf auswirken. Im Idealfall weckt sie beim Käufer eine Vorfreude aufs Hören. Und das ist nicht wenig.
Hier wie überall gilt: Stimmt das Produkt, so wird ihm auch das Publikum treu bleiben. Insofern wird die gute alte CD zwar weiter an Terrain verlieren, aber aussterben wird sie genauso wenig wie das Buch oder die Zeitung. Auch der Allesfresser Internet stößt gelegentlich an seine Grenzen.