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Die neuen Zensoren

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Der Komponist Hans-Jürgen von Bose schwimmt nicht gerade im schmalstrahligen Mainstream unserer etablierten Zeitgenossen. Spätestens seit seiner Oper „Schlachthof 5“ und einigen im Umfeld getätigten Äußerungen steht er im Kritikhagel der Feuilletonisten. Man wirft ihm, der die Avantgardisten Donaueschinger Zuschnitts kräftig zauste, reaktionäres Denken vor, infolgedessen auch reaktionäres Komponieren. Und natürlich kann man sich über von Boses verbale Stellungnahmen ebenso streiten wie über seine musikalischen: aber das immerhin. Womöglich veranlaßte gerade diese leicht konfliktträchtige Prädestination Münsters publicityfreudigen Generalmusikdirektor Will Humburg im Herbst 1996, einen Kompositionsauftrag zur 350-Jahr-Feier des Westfälischen Friedens an Hans-Jürgen von Bose zu vergeben. Eine fünfsätzige „Deutsche Motette“ entstand – und wurde zur Feier des Tages nicht aufgeführt. Münsters SPD-Bürgermeisterin Marion Tüns soll im Verein mit der Kulturdezernentin Helga Boldt (Die Grünen) den GMD zur Absage bewegt haben. Von mißverständlichen Textpassagen war die Rede. Es kam zu Anrufen, die in anderem politischem Kontext flott einen Aufschrei über faschistoide Gesinnungsschnüffelei ausgelöst hätten. Man wollte wissen, ob von Bose, dessen Großvater von den Nazis hingerichtet wurde, braune Flecken auf der Weste habe. Alles, was Recht ist: Wer den Komponisten ein wenig kennt, wird von ihm zum gebotenen Anlaß nicht unbedingt die Aufarbeitung der Coventry-Tragödie aus der Distanz erwarten. Aber ist es vielleicht weniger redlich, sich mit den deutschen Opfern des Bombenkrieges im zweiten Weltkrieg zu beschäftigen? Zumal auch im Dreißigjährigen Krieg gerade die zivile Landbevölkerung das grausamste Martyrium durch marodierende Militärs zu erdulden hatte. Im Rahmen einer aufwendigen Text-Recherche brachte von Bose historische Texte zum Krieg in Bezug zu einer Interpretation des Versailler Vertrages durch den amerikanischen Kybernetiker Gregory Batson und zur Luftkampf-Strategie Churchills. Daraus entstand – sehr kurz vor der Premiere – für einige Verantwortliche der Eindruck, das Werk leiste rechtsradikalem Gedankengut Vorschub. Seit selbst Martin Walser solchen Urteilen ausgesetzt ist, mag man sich als halbwegs mündiger Bürger vom Wert derartiger Einschätzungen doch lieber selbst überzeugen. Leider durfte sich das unmündige Publikum bei der westfälischen Friedens-Feier keinen eigenen Eindruck von der „Deutschen Motette“ verschaffen. Es steht – zumindest in Münster – unter dem heimlichen Schutz rot-grüner Geschmacks-Kontrolleure. Daß auf diese Weise genau jene Verfahren zum Vollzug gelangen, vor denen man zu bewahren vorgibt, scheint die neuen Zensoren nicht zu irritieren. Wie soll man da eigentlich noch glauben, daß sie es sonst mit der Wahrheit ernst nehmen?

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