Hauptbild
Moritz Eggert. Foto: Hufner
Moritz Eggert. Foto: Hufner
Hauptrubrik
Banner Full-Size

In diesen heil‘gen Hallen…

Untertitel
Absolute Beginners 2018/06
Publikationsdatum
Body

Vor kurzem fragte ich im Bad Blog ironisch, ob es überhaupt Komponistinnen gibt. Inzwischen müsste ich fragen, ob es überhaupt junge deutsche Komponisten gibt, und zwar beiderlei Geschlechts.

Natürlich ist das eine Übertreibung – selbstverständlich bewerben sich Jahr für Jahr an den deutschen Hochschulen auch junge deutsche Komponistinnen und Komponisten. Aber es werden jährlich weniger im Verhältnis zu den Bewerbern aus dem Ausland, zumindest was den Bereich der Kunstmusik angeht (im Jazz oder in der Filmmusik mag es anders aussehen).

Seit vielen Jahren dominieren asiatische Studenten den Bewerbungsmarkt, in diesem Jahr waren es bei uns deutlich mehr als die Hälfte der Gesamtbewerbungen, die meisten davon aus Korea oder China, einige wenige Japaner. Von meiner persönlichen Erfahrung an der Musikhochschule München ausgehend ist die nächste größere Gruppe Bewerber ebenfalls aus dem Ausland, diese übersteigen aber in Summe nie die der asiatischen Bewerber. Die dominierende nichtasiatische Region, aus der Kompositionsstudenten zu uns nach Deutschland kommen, ist sicherlich Osteuropa, danach erst kommen Studenten aus Zentraleuropa, davon viele Spanier und Italiener, eher wenige Engländer und Franzosen, keine Schweizer und Österreicher (die studieren eher bei sich zu Hause, wo sie mit guten Hochschulen versorgt sind). Natürlich fehlen auch US-Amerikaner nicht, interessanterweise aber verirrt sich kaum ein kanadischer Student nach Deutschland. Danach kommt Südamerika, Südafrika, der Nahe Osten (dort am ehesten aus dem Iran oder Israel!). Ganz am Ende der Liste stehen die Antipoden, hier spielt natürlich auch die große Entfernung eine Rolle. Dagegen machten die Bewerbungen aus Deutschland in diesem Jahr nur zirka 8 bis 10 Prozent der Bewerbungen aus.

Warum man in Deutschland Komposition (oder Musik generell) studieren will, liegt auf der Hand. Hauptgrund ist sicherlich das im internationalen Vergleich hohe Niveau der Ausbildung bei gleichzeitig quasi nichtexistenten Studiengebühren. Das bedeutet, dass ausländische Studenten selbst mit Reise- und Wohnkosten bei uns manchmal weniger Geld ausgeben, als sie vielleicht zuhause an einer Elite-Musikuniversität zahlen müssten. Auch hat ein Abschluss in Deutschland in den meisten Heimatländern einen guten Ruf und erhöht die Chancen auf eine Rückkehrer-Stelle als zum Beispiel Professor. Sehr viele ausländische Studenten nutzen aber auch die exzellente Förderung für Neue Musik in Deutschland – ich kenne einige, die erfolgreich viele Jahre lang die zahlreichen hiesigen Aufenthaltsstipendien nutzen und dann mit einem gewissen Namen auch in der freien Wildbahn überleben können.

Das rein handwerkliche Niveau der meisten ausländischen Bewerber – und das ist der Grund dieses Artikels – ist aber deutlich höher als das der wenigen deutschen Bewerber. Warum ist das so? Man kann ja nun nicht wirklich sagen, dass es hierzulande keine guten Ausbildungsmöglichkeiten gibt. Von Jugend Musiziert und Jugend Komponiert mal abgesehen ist es theoretisch auch schon in Musikschulen möglich, eine solide Ausbildung in Musiktheorie zu bekommen, ganz zu schweigen von den musischen Gymnasien und Konservatorien, in denen man dies ebenfalls lernen kann. Dennoch: Ohne generalisieren zu wollen, stinken die meisten Partituren deutscher Bewerber deutlich ab… gegenüber ihren Konkurrenten aus dem Ausland.

Ist unser Nachwuchs zu satt? Tatsache ist, dass nur wenige Deutsche Komponisten Komposition im Ausland studieren, am ehesten noch in Paris oder an einer der nordamerikanischen Elite-Unis. Die meisten aber bleiben zuhause, bewerben sich auch meistens in der Stadt, in der sie leben, da es in den meisten ja eine Hochschule gibt. Geht es unserem Nachwuchs zu gut? Wird er zu wenig gefordert? Lernen Kinder immer weniger (im Zeitalter der Handy-Daddelei) sich zu konzentrieren, eine Fähigkeit, die zum Komponieren unerlässlich ist? Liegt es an einer Art Bildungskrise?

Ich muss gestehen, dass auch ich die Antwort nicht kenne. Aber es beunruhigt mich, dass wir in einer Art kulturellem Schlaraffenland leben und unsere eigene Jugend nicht wirklich realisiert, wie gut wir es eigentlich haben. Denn sonst würden ja nicht so viele talentierte junge Menschen zu uns kommen wollen, aus aller Herren Länder, nur nicht dem unseren.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!