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Ein Leserbrief zum Feature der nmz 9/97, S. 3
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n dem Beitrag „Keine Diskussion über den Wert der Kompositionen“ des Leipziger Musikwissenschaftlers Thomas Schinköth ist auf ominöse Weise das verhängnisvolle Wörtlein NICHT [ERST] entschwunden; in der zweiten Spalte muß es nämlich korrekt heißen: der Autor deutet an, „daß die Ausgrenzung von Mendelssohns Schaffen unter dem Verdikt des Undeutschen“ NICHT ERST „mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten einsetzte, sondern die tragische Konsequenz einer bereits seit geraumer Zeit brodelnden Entwicklung (darstellt), die hier nicht näher beleuchtet werden kann“. Schinköth hätte seinen scheinbar so Mendelssohn-freundlichen Zeugen H.J. Moser härter anpacken sollen, denn in der von ihm zitierten „kleinen dt. Musikgeschichte“ von 1938 heißt es noch in der Auflage von 1949 (S. 244), daß Mendelssohn „ein Idealist und in vielem beispielhaft, aber begrenzt im allzu Glatten, Problemlosen, mühelos Gekonnten, ohne eigentlichen Erlebnissturm, eine edle Zimmerpflanze“, kurz – wurzellos, eben jüdisch gewesen ist. Blättert man in Mosers Nachkriegsschriften weiter, so stößt man auf manche Quelle, aus welcher dieser blumige Forscher sein Gift herauszog und in welcher die obige NICHT-Einfügung begründet liegen könnte, wäre sie nicht rein zufällig. Und so schloß Moser noch 1952 den Mendelssohn-Essay seiner „Musikgeschichte in 100 Lebensbildern“ (S. 593) höchst untertänigst mit einem wahnwitzigen Zitat von Bülows ab: „Mendelssohn war aber kein Genie, sondern nur ein außerordentliches Talent, dem Geschick und großer praktischer Verstand welches beides den Leuten seines Stammes [!] in hohem Grade eigen ist, bedeutend zu Hilfe kamen. Der Unterschied zwischen Talent und Genie liegt nicht, wie man öfters annimmt, darin, daß dem letzteren vorzugsweise die produktive Kraft zukommt, sondern nur in der Art der Produktivität. Das Talent wird stets bei seinem Auftreten mehr Beifall und wirkliche Sympathie antreffen als das Genie, das zuweilen abstößt und befremdet.“ Es könnte sein, daß hiermit von Bülow lediglich sein Talent beschrieb: in Leipzig wird jedenfalls des Todestages des Komponisten um den 4. November 1997 in tiefer Scham zu gedenken sein. Wer aber hat schon 1994 in Kairo an das Sterbedatum von Bülows gedacht? Günter Hartmann, Lahnstein

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