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Du bist hier nicht der Bestimmer

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Ferchows Fenstersturz 2015/12
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Tja, liebe ARD, vielleicht hätte man Pegida-Chef Lutz Bachmann nicht zwingend die Auswahl eines ESC-Kandidaten überlassen sollen. Dass die Wahl mit Xavier Naidoo recht staatskritisch ausfällt, war überschaubar. Und dass die ARD nach der Naidoo’schen Kaiserkrönung 48 Stunden später zusammenbricht wie Ex-Boxer Axel Schulz in jeder ersten Runde – geschenkt.

Aber woher sollte die ARD denn bitte wissen, dass Naidoo einst im Morgenmagazin der ARD verkündete: „... wir sind immer noch ein besetztes Land! Deutschland hat noch keinen Friedensvertrag und ist dementsprechend auch kein echtes Land und nicht frei.“ Richtig so. Scheiß auf den „2 + 4-Vertrag!“ Nachkriegszeit eben nicht beendet.

Freilich muss man der ARD zugute halten, dass sie keinen Guido Knopp hat, sondern nur Ranga Yogeshwar. Und was zur Hölle weiß der schon. Oder, Herr Bachmann?

Unbekannt war der ARD wohl desgleichen Naidoos Aussetzer vor den Reichsbürgern in Berlin. Wobei, okay, war halt ein Tütchen zuviel. Dann falsch abgebogen. Kann passieren in Berlin. Und schon steht man mit dem Mikro vor den Reichsbürgern statt vor der Autofahrerpartei, versteigt sich in systemkritische Debatten und beschließt das Ganze mit Bibel-Gejaule. ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber kann seinen Zorn darüber gerade noch zügeln, denn „so einer polarisiert schon“, meint er etwas ungehalten. Nun, es hat sich auspolarisiert. Naidoo wurde entlassen. Volksuntauglich quasi. So wie Andy Borg, der zehn Jahre lang das Krampfadergeschwader, äh das Stadlpublikum gut im Griff hatte.

Oh mei, liebe ARD. Nach dem letztjährigen Debakel um Andreas Kümmert, der sich „nicht in der Verfassung fühlte, am ESC teilzunehmen“, muss man schon fragen, ob die ARD in der Verfassung ist, eine vom Volk bezahlte Sendeanstalt zu sein. Trotzdem bricht den ESC-Fans natürlich der Achselterror unter den Schlagerplüschklamotten aus, denn wer soll den ESC nun retten? Dann mal ab auf die Bäume, bevor Ralph Siegel seine 123 potentiellen Siegertitel aus der untersten Schublade holt und usbekischen Talenten die Karriere ordentlich versaut. Ganz besonders lus­tig wollte auch die Trulla vom letzten Jahr sein (minus Null Punkte!) und bot ihre erneute Teilnahme per Facebook an. Leider hat sie selbst auf Facebook Null Freunde. Scheint ja ein Lebensthema bei ihr zu werden. Die Null. Aber im Ernst. Retten kann das nur der Wendler, der alte Balkonraucher. Nicht nur, dass er unheimlich sympathisch und bescheiden ist. Geschäftstüchtig wie er ist, bringt der aus Schweden nicht bloß Punkte, sondern gleich noch ein paar Knebelverträge mit. Schließlich ist Wendler gnadenlos. Selbst, wenn es um seine eigene Mutter geht. Mal schön die Olle aus der geschenkten Wohnung rauswerfen. Eigenbedarf! Ob die ARD allerdings wieder einen Fuß in die ESC-Tür bekommt, ist fraglich. Denn sollte nicht das Volk bestimmen, wer uns blamiert? Wo ist eigentlich Cem Özdemir, wenn man ihn braucht?

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