Da haut es mir doch wirklich den Propeller raus! Dass unsere Politikerinnen und Politiker abgehoben sind und gerne im selbstgesteuerten Privatflugzeug auf Hochzeiten fliegen … geschenkt.Dass Rockmusiker in die gleiche Kerbe schlagen, erschüttert mich zutiefst.
Eating Class Hero
Wer wie ich bis gestern dachte, Working Class Hero Bruce Springsteen und seine Band sitzen nach einem Konzert um ein meterhohes Lagerfeuer, grillen ein selbst erlegtes Stück Fleisch bis zur Unkenntlichkeit und bechern Bier aus Bauarbeiterhelmen, der wird Folgendes kaum glauben.
Die US-Zeitung „News-Gazette“ hat den Tour-Rider von Springsteen samt Entourage enthüllt. Jenes Dokument, das Springsteen & Band einige Extras vor und nach den Konzerten ihrer Welttournee beschert. Es sind Abgründe.
So möchte Herr Springsteen vor der Show eine Hühnersuppe mit viel Brühe, nach der Show 16 kalte, frische Shrimps mit hausgemachter Meeresfrüchtesoße und zwei Tüten Rold-Gold-Brezeln. Natürlich stellt sich die Frage, was zum Teufel eine Hühnersuppe ohne viel Brühe sein mag, aber bitte.
Dazu wünscht der Boss noch einen halben Liter handgepressten Zitronensaft, sechs hartgekochte Eier ohne Eigelb, geschälte und in Scheiben geschnittene Äpfel sowie gewürfelte Wassermelonen. Doch da geht noch mehr.
Frau Springsteen nämlich, die ab und an eine Gitarre umgeschnallt bekommt, hat auch Bedürfnisse. So soll ihre Umkleide mit einer „hochwertigen Vase“ geschmückt sein, darin (in der Garderobe, nicht der Vase) mögen drei High-Fashion-Magazine wie „Vogue“, „Elle“ und „Vanity“ bereitliegen, aber keinesfalls die „Cosmopolitan“.
Ich habe Fragen! Die erste lautet: Geht’s noch? Die zweite: Darf es noch handgeschöpftes Trinkwasser aus einer Quelle in Alaska sein, die man erst nach einem mehrtägigen Gewaltmarsch mit Steigeisen und Eispickel erreicht? Gutes Stichwort: Alaska. Denn Gitarrist Steven Van Zandt besteht auf „wild gefangene Meeresfrüchte, die Flunder, Garnelen, Seezunge, Tilapia oder Heilbutt aus Alaska – nicht aus dem Atlantik – sein können“.
Daher die dritte Frage „Digga, echt jetzt?“, die zur vierten Frage überleitet: Habt ihr vergessen, wo ihr herkommt? Aus einer Zeit, in der sich Künstler in zweifelhaften Jugendtreffs für einen Kasten Bier einen Ruf erspielten? Ein Kasten, der auch als feste Nahrung diente, abgestellt auf einem Boden, der die Schuhe bei einer Verweildauer von über einer Sekunde festkleben ließ. Aus einer Zeit, in der alles, was handgepresst sein durfte, die Reste des drei Tage alten Spüllappens im Schnapsglas waren? Aus einer Zeit, in der Eier, Äpfel oder Melonen hauptsächlich als Wurfgeschosse bei Punkkonzerten dienten? Ziemlich low, lieber Boss.
Wenigstens hat sich das für die Tournee zuständige Produktionsbüro noch im Griff. „Sechs Arten von alkoholischen Getränken“ sollen bereitstehen, darunter „sechs Flaschen Qualitätsbier, das auf keinen Fall von Budweiser ist.“ Wie schön, wenn es noch bodenständige Menschen gibt, die wissen, was gut ist.
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