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Sven Ferchow. Selfie

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Ein Hoch auf die Achtsamkeit

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Ferchows Fenstersturz 2025/02
Vorspann / Teaser

Liebe Musikbiedermeierinnen und Musikbiedermeier, das musikalische Jahr 2025 wirft seine Schatten voraus. Verabschieden Sie sich von Ihren musikalischen Gewohnheiten. Vorbei die Tage, an denen Ihre von Spotify kuratierte Playlist morgens gnadenlos „Happy“ von Pharrell Williams trällerte. Um Sie dann mit Sheryl Crows „All I wanna do is have some fun“ in den seelischen Puddingalgorithmus zu rühren. Ohne den folgenden suizidalen Coldplay-Orbit auszulassen. Sie haben mehr verdient. Finden Ihre Streaminganbieter.

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In Marketinganalysen haben jene festgestellt, dass die Musikkonsumierenden nicht mehr mit dem „value“ der Abopreise zufrieden sind. Und dass – es ist wohl die größte Erkenntnis – Musik nur noch konsumiert wird. Soll sich ändern. Damit sichergestellt wird, dass Sie künftig Songs und Texte bewusst erleben, sorgt ab Juni 2025 ein zertifizierter Streaming-Berater dafür, dass Ihr Gemütszustand durch gründlich betreute Playlists im Gleichgewicht bleibt. Klangschalengong bitte jetzt. 

Bevor Sie also demnächst Songs streamen, müssen Sie bindend eine Streaming-Beratung per Videocall führen. Was rein qualitative Gründe hat. Schließlich darf man nicht riskieren, dass sich durch achtloses Hören von Shirin David, Michael Wendler oder Katja Krasavice eine weitere Sprachgeneration verabschiedet. Orientiert hat sich die Streamingbranche an der neuen Abgaberegelung für Haushaltsinsektizid-Produkte. Deren Erwerb soll ab 2025 erst nach einem Beratungsgespräch erfolgen. Musikstreaming oder Ameisenspray – egal. 

Was uns zum Thema Neuwahlen bringt. Eine Partei, deren Name (noch) nicht genannt werden darf, plant für 2025 ein Bundesminis-terium für Wokeness (BMFW). Ähnlich der Streaming-Beratung soll das Ministerium dafür sorgen, dass künftig in allen veröffentlichten Musikstücken sämtliche gesellschaftlichen Strömungen berücksichtigt werden, bevor die Tonträger in den Verkauf respektive Stream gelangen. Endlich eine vorauseilend korrekte Musiklandschaft, endlich keine Songs mehr, die versehentlich Randgruppen ignorieren. Kreative sollen sich dafür einer Befragung unterziehen: Wurde angemessen gegendert? Sind im Text alle Randgruppen prozentual stimmig erwähnt (Dyskalkulie, Behinderung, isolierte Lese- und / oder Rechtschreibstörung, Mobbing-Erfahrung, Migrationshintergrund, Alkoholproblem, religiöser Hintergrund oder keiner, mit oder ohne Geschlecht, vegan oder vegetarisch essend, Ost- oder Westdeutschland)? Kam es klanglich zu kulturellen Aneignungen, also etwa Ähnlichkeiten in Tonfolgen indigener Völker, Nachempfinden musikalischer Genres anderer Kontinente, grundlose Versuche, Bewunderung für andere Kulturen musikalisch auszudrücken, Unterlassung des Generalverdachts, Musik würde dazu dienen, Menschen über die eigenen Grenzen hinaus miteinander zu verbinden (Wäre ja noch schöner, wenn Musik verbinden dürfte!) Also: Empörung an oder Plattenspieler raus. 

Dann bleibt es wenigstens nostalgisch unreguliert.

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