Erfreulich ist es, dass man den marktwirtschaftlichen Ökonomieprinzipstönern, die immer behaupten, dies und das sei eben nicht zu machen wegen nicht zu finanzieren, manchmal Gegenbeispiele vor die Nase halten kann. Das tut gut, denn wir wollen ja auch nicht das Unbezahlbare, sondern das Machbare, das sich zugleich nicht verbiegen lässt, Charakter zeigt, Eigenart wahrt. Am 24. Januar wurde dem Produzenten des Labels ECM Manfred Eicher der Kulturelle Ehrenpreis der Landeshauptstadt München 2004 verliehen. Und hier hat man eine schöne Wahl getroffen. Nicht, dass jeder mit Eichers Platten- und Musikästhetik einverstanden sein muss! Anerkennen aber sollte jeder, dass hier mit Unerschütterlichkeit und innerer Konsequenz ein Weg beschritten wurde und wird, der das innere Potenzial Eichers, seine Visionen, seine Träume in die Tat umsetzt. Er ist einer, der hier keine Abstriche machte, der nicht auf den Markt und seine ohnehin oft fragwürdig windigen Analysen schielte, sondern der einen Weg ging, den er aus seiner musikalischen Überzeugung heraus für den richtigen erachtete. Und das Schöne: das Unternehmen wurde auch ein finanzieller Erfolg! Wobei man sich immer fragen kann, was finanzieller Erfolg heißt. Ist es der kapitalistische der Profitratenmaximierung, oder ist es nicht auch der, der den Unternehmenden Mensch sein lässt, ihm seine Träume belässt und der die Produktion trägt.
Diesen Weg beschreitend hat Eicher eine ganz eigenständige Reproduktionsästhetik geprägt. Er rettete die durchs technische Medium verloren zu gehen drohende Aura in dieses zurück. Seine CDs sind nicht einfach Dokumententräger, sie sind Kommunikationspartner, suchen Nähe zum Hörer, machen Vorschläge, wie musikalische Abläufe sich gegenseitig befruchtend gehört werden können. Und auch die Musik selbst, die Eicher bevorzugt, blickt immer ins Weite und Stille hinein: nicht mit plärrender High-Tech-Klanglichkeit, sondern mit keineswegs weniger aufwändiger sensibler Raumstrukturierung, mit atmosphärischer Grundierung. Nicht der Sound ist hierbei Prinzip, sondern das individuelle Wechselspiel des Klangs zum Werk, zur Ideenwelt des Komponisten oder des improvisierenden Musikers. Und Eicher hatte immer wieder ein genaues Gespür für synergetische Wirkungen, für die Konfrontation von Alt und Neu, von Jazz und klassischer Musik. Hier stellten sich Brücken und Beziehungslinien von verblüffend tiefer und nahe gehender Wirkung her.
„Ich bin davon überzeugt, dass Kunst nur dann berührt und durchdringt, wenn sie durch Wahrhaftigkeit und Leidenschaft entsteht. Und ich merke es immer deutlicher: alles, was wirklich tief geht, muss glücken. Es ist gut zu wissen, dass es Komplizen gibt, mit denen ich meine Leidenschaft teilen kann. Es ist ein Glück für mich, Musiker zu sein. Beheimatet in einer wortlosen Sprache.” Das waren Manfred Eichers Schlussworte in einer wunderbar ehrlichen und tiefen Rede zur Verleihung des Ehrenpreises. Und es ist auch für uns beruhigend zu wissen, dass es immer noch solche Komplizen gibt.