Ekelhaft. Widerlich. Gräulich. Drei Adjektive, die nicht grundlos mit dem Eurovision Song Contest in Verbindung gebracht werden müssen. Freilich kann man die Tragödie auch dieses Jahr nicht von obigem Vorwurf entbinden. Als größeres Debakel fungierte aber der Pressespiegel zum Drama. Da stilisierte man eine Freak-Show, die im Feuilleton seit Jahren niedergemetzelt wird, zur Rettung der deutschen – ach, sind wir mal nicht unbescheiden – der weltweiten Unterhaltungsindustrie. Und nur, weil die Deutschen wieder einmal mit drakonischer Disposition und zackigem Zeitplan dienten.
Nur diesmal standen eben LED-Lampen stramm. Und deren Blendkraft reichte so weit, dass Teile der kulturdenkenden Presse faselten, „man habe den ESC vom Mief befreit, ihm neues Leben eingehaucht oder ihn entstaubt“. Das nennt man Heimvorteil. Letztendlich ging im Geflöte nämlich unter, dass der ESC trotz tapsiger Täuschungsmanöver immer noch ein verdammt miefiger Wettbewerb ist. Beziehungsweise eben nicht mehr.
Oder mal war. Denn fortgesetzt hat sich das „Perpetuum mobile“ des musikalischen Plagiats. Drei Phänotypen des Popsongs werden beim ESC Jahr für Jahr aufs Neue massakriert. Typ eins, der osteuropäische Popsong. Vertreten durch sämtliche Länder rechts von Wien. Gern mit diktatorischem Bouquet. Meist vorgetragen von einer üppig ausgestatteten Olga, deren Blick signalisiert: „Auf Wunsch wird auch gepeitscht.“
Musikalisch bewegt sich die Nummer zwischen Proleten-Dancefloor und einer Form von Rentner-Kasatschok, die eventuell beim betreuten Wohnen noch Anwendung findet. Wie es den misshandelten Synthesizer-Sounds dabei geht, danach hat noch niemand gefragt. Phänotyp zwei wird vorwiegend von ganz zünftigen Gesellen vertreten, die wegen UHU-Missbrauchs von der Clownschule geflogen sind.
Ihnen würde man gerne einen sechswöchigen Aufenthalt an einer Berliner Problemschule verschreiben lassen. Ihr exaltiertes Äußeres soll über einen Song hinweghelfen, mit dem Stock, Aitken und Waterman vor vierzig Jahren die Karriere von Cliff Richard vernichten wollten. Typ drei sind die eher traurigen Genossen. Sie sind nur rein zufällig in den ESC gerutscht, sehen sich de facto als Künstler, retten in ihren Songs die Welt, geben sich betont unangepasst, hängen in Wirklichkeit aber voll am Tropf der ESC-Infusion. Für sie ist Dabei- und Dann-vergessen-Sein alles. Entsprechend unaufgeregt klingen ihre Exzerpte.
Die einen lallen zu schleppenden wie scheppernden Akkorden der Konzertgitarre, mit der ihnen Omi früher den Hintern versohlte. Die anderen spielen Scharade zu stinkfaulen Pseudo-Beats. Und ganz andere schleimen sich oder uns Pilcher-Literatur ins Gesicht und dürfen gewinnen, während ein völlig verwirrtes Schäfchen Opernarien schmettert und dabei aussehen kann, als wäre es schuld an der Euro-Krise.
Ich habe Angst, dass der Mief in Aserbaidschan weiter aus dem Perser geklopft wird.
Wenn Herr Friedrich nämlich feststellt, dass das gar nicht zu Europa gehört.