Es ist nicht alles Gold, was glänzt, und es ist nicht alles Kunst, was scheint. Mit einigem Getöse hat ein Film über die Saxophonistin Anna-Lena Schnabel von Jan Bäumer (nachzusehen in der Mediathek von 3sat) schnarchende Hunde geweckt. Es geht in dem Film um den musikalischen Werdegang der Künstlerin ebenso wie um die Umstände der Preisverleihung des ECHO Jazz Nachwuchspreises an sie in diesem Jahr. Dem Veranstalter, dem Bundesverband Musikindustrie (BVMI), ist die Veranstaltung angeblich circa 200.000 Euro wert. Dafür spart man an Künstler/-innen-Gagen, wo denn sonst – etwa an der Länge des roten Teppichs?
Doch der Preis ist fast unangefochten beliebt. Diese Veranstaltung und ihr Preis habe ein „unglaublich riesiges Renommee“ (Wolf Kerschek), sei der „wichtigste Preis in diesem Bereich der musikalischen Kunst“ (Götz Alsmann) und eine „Leuchtturm-Veranstaltung“ (Bundesverband Musikindustrie). Allerdings sehen das nicht alle Künstler/-innen so, auch nicht Anna-Lena Schnabel.
Was viele nicht wissen: Es handelt sich beim ECHO Jazz um einen Preis, der sich nur auf einen Ausschnitt des Repertoires bezieht. Nominiert werden die Künstler durch ihre Labels, die einen entsprechenden Tonträger einreichen. Da dies einigen suspekt ist, meiden sie die Veranstaltung. Prominentes Beispiel ist das Label ECM mit seinem Betreiber Manfred Eicher. Was auch kaum einer weiß: „Was Anreise- und Hotelkosten betrifft, so zähle es zu den Grundsätzen der Veranstaltung, dass der BVMI die Kosten für die Veranstaltung trägt und die Labels sich um ihre Künstler/ -innen kümmern – und für diese auch die Kosten übernehmen“, zitiert der Branchendienst Meedia eine Stellungnahme des BVMI zum Thema. Dass die Preise nicht dotiert sind, wahrlich geschenkt, wie großzügig. Denn immerhin wird der ECHO Jazz verantwortet vom „Kulturinstitut“ des BVMI mit dem wohlklingenden Namen „Deutsche Phono-Akademie“. Echte Fachpreise wie beispielsweise der Albert-Mangelsdorff-Preis der Union Deutscher Jazzmusiker (15.000 Euro – umgerechnet drei Lachsstullen), der SWR-Jazzpreis (15.000 Euro – umgerechnet etwa drei Effektscheinwerfer), der WDR Jazzpreis (insgesamt 30.000 Euro – umgerechnet circa zehn Meter roter Teppich) kommen dagegen den Künstlern tatsächlich zugute – ohne TV-Brimborium.
Vorstandschef des BVMI ist noch Dieter Gorny, der gerade wieder ins Präsidium des Deutschen Musikrats gewählt worden ist und den Impulsvortrag zur diesjährigen Mitgliederversammlung mit dem Titel „Wieviel Ökonomie braucht die Musik?“ als Plädoyer für die Kulturindustrie gehalten hat (siehe auch den Leitartikel auf Seite 1). Jene Industrie also, die sich ihr musikalisches Tafelgold auf dem Rücken der Kunst und Künstler versilbern lässt. Dabei ist der ECHO Jazz nicht einmal ein Leuchtturm von Pisa. All das erinnert vielmehr an eine Form der Strandräuberei, bei der mit falschen Leuchtfeuern bewusst Schiffe auf Untiefen, Riffe oder auf den Strand gelockt und dann geplündert werden. Die After-Show muss schließlich weitergehen. Schnittchen gefällig?